Kochsalzlösung statt Impfstoff: Vermutlich deutlich mehr Betroffene

Kochsalzlösung statt Impfstoff: Vermutlich deutlich mehr Betroffene
Polizei hat Hinweise auf systematisches Fehlverhalten
Bis zu 8.500 Menschen könnten in einem Impfzentrum in Niedersachsen statt eines Corona-Vakzins eine wirkungslose Kochsalzlösung gespritzt bekommen haben. Die verantwortliche Krankenschwester hüllt sich in Schweigen.

Schortens, Hannover (epd). Der Skandal um eine examinierte Krankenschwester, die im April im Impfzentrum im niedersächsischen Schortens das Corona-Vakzin gegen eine Kochsalzlösung ausgetauscht haben soll, weitet sich aus. Nach Ermittlungen von Polizei und Staatsanwaltschaft gebe es deutliche Hinweise darauf, dass die Frau in großen Mengen Kochsalzlösung verimpft habe, sagte der Leiter des niedersächsischen Corona-Krisenstabes, Heiger Scholz, am Dienstag in Hannover.

Bislang waren nur sechs Fälle bekannt, in denen Patienten keinen Impfstoff bekommen hatten. Nach Angaben des Landkreises Friesland vom Dienstag sind aber 8.557 Menschen potenziell betroffen, die zwischen dem 5. März und dem 20. April im Impfzentrum Roffhausen eine Spritze bekommen haben, für deren Inhalt die Frau verantwortlich war. „Fakt ist, wir wissen nicht, wie viele davon ungeimpft oder nur teilweise geimpft sind. Es mag sein, dass nur jede dritte Spritze manipuliert war, es mag sein, dass es keine weiteren Fälle gibt. Die Frau zeigt sich leider gegenüber der Polizei nicht kooperativ, sondern sie schweigt“, erläuterte Scholz.

Bisher bekannt war, dass die Krankenschwester in sechs Fällen den Biontech-Impfstoff gegen eine medizinisch unbedenkliche Kochsalzlösung ausgetauscht haben soll. Als Grund hatte sie damals angeben, ihr sei eine Ampulle mit dem Vakzin zerbrochen und sie habe aus Scham den Leiter des Impfzentrum zunächst nicht informieren wollen. „Ihre Einlassung war nicht richtig“, sagte Scholz. Er nannte es „ziemlich perfide, wenn eine Impfgegnerin sich so in ein Impfzentrum einschleicht“. Der Kreisverband des Deutschen Roten Kreuzes hatte der Frau bereits im April fristlos gekündigt.

Bei den Betroffenen handelt es sich vor allem um über 70 Jahre alte Menschen. Allerdings seien in dem Zeitraum auch Mitarbeiter mobiler Pflegedienste, Hospizmitarbeiter, Erzieherinnen oder Ärzte geimpft worden, sagte die stellvertretende Corona-Krisenstabsleiterin Claudia Schröder. Nach ihren Angaben sollen sie per Post oder E-Mail informiert werden. Zugleich ermutigte sie alle, ein Angebot zur Nachimpfung anzunehmen. „Rund 8.500 Menschen stehen nun vor der Frage: 'Soll ich mich erneut impfen lassen?' Wir können nur absolut dazu raten.“

Der Präsident des Landesgesundheitsamtes, Matthias Pulz, sagte, nur mit den Nachholterminen könne ein vollständiger Impfschutz sicher gewährleistet werden. Selbst für Personen, die bereits zweimal korrekt geimpft worden sind, seien die Nachholimpfungen gesundheitlich unbedenklich.