Berliner Senatorin Breitenbach und Ates streiten über "Ehrenmorde"

Berliner Senatorin Breitenbach und Ates streiten über "Ehrenmorde"
Nach dem gewaltsamen Tod einer afghanischen Frau wird in Berlin über die Ursachen und die Einordnung diskutiert. Tatverdächtig sind ihre beiden Brüder, schnell war von "Ehrenmord" die Rede. Das trifft nicht nur auf Zustimmung.

Berlin (epd). Berlins Integrationssenatorin Elke Breitenbach (Linke) hat in der Debatte um den Begriff „Ehrenmord“ Kritik zurückgewiesen. Sie ignoriere nicht die gesellschaftlichen Hintergründe, bleibe aber dabei, eine solche Tat als „Femizid“ zu bezeichnen, sagte Breitenbach am Dienstag nach einer Senatssitzung mit Blick auf den am Freitag bekanntgewordenen Mord an einer afghanischen Frau in Berlin. Als mutmaßliche Täter wurden zwei Brüder festgenommen. Sie sollen ihre Schwester wegen deren Lebensstil getötet haben.

Kritik an der Begriffswahl von Breitenbach kam unter anderem von der muslimischen Frauenrechtlerin Seyran Ates. Die liberale muslimische Gemeinde hingegen unterstützt die Position der Senatorin.

Gewalt an Frauen sei kein importiertes Phänomen, sagte Breitenbach. Dabei gebe es unterschiedliche Formen patriarchalen Verhaltens. Ihr liege es fern, Taten wie den mutmaßlichen Mord an der Afghanin zu ignorieren oder klein zu reden. Es sei aber keine Frage der Herkunft, sondern eine des gesellschaftlichen Umfelds.

Um derartige Tötungsdelikte künftig zu verhindern, müssten Frauen weiter gestärkt werden. Dabei verwies die Linken-Politikerin auf bereits bestehende Kinder- und Frauen-Gewaltschutzprogramme, etwa in Flüchtlingsunterkünften. Auch entsprechende Integrationsangebote für Männer, wie etwa vom Verein „Aufbruch Neukölln“, müssten ausgebaut werden.

Die muslimische Frauenrechtlerin Ates forderte die Politik dagegen auf, das Phänomen der sogenannten Ehrenmorde anzuerkennen. Es wäre in der Integrationspolitik schon viel gewonnen, wenn akzeptiert würde, dass es so etwas wie „Ehrenmorde“ gibt, sagte die Berliner Rechtsanwältin am Dienstag im RBB-Inforadio.

Es sei wichtig, so Ates, derartige Taten im Namen eines aus anderen Kulturen stammenden Ehrbegriffs auch so zu benennen: „Nur so können wir das Problem an der Wurzel fassen.“ Ehrenmorde seien die Spitze des Eisberges. Deshalb müsse genauer hingeschaut werden. Die Aussagen von Integrationssenatorin Breitenbach nannte Ates ein Armutszeugnis.

Wie Breitenbach wendet sich auch der Liberal-Islamische Bund gegen die Bezeichnung „Ehrenmord“. Der Begriff sei höchst problematisch, bevorzugt werde „Femizid“, sagte eine Vertreterin der liberalen muslimischen Gemeinde in Berlin am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). „Femizide“ seien nicht nur in muslimisch geprägten Gesellschaften verbreitet, erklärte Regine Brosius als Koordinatorin der Berliner liberalen Gemeinde. Auch im christlichen Lateinamerika etwa sei dies ein weit verbreitetes Phänomen: „Dennoch wird hier üblicherweise nicht von einem speziellen Problem des Christentums gesprochen.“ Patriarchale Auslegungen im Islam, Christentum und anderen Religionen trügen ihren Teil dazu bei, „dass Männer sich berechtigt sehen, über das Leben von Frauen zu entscheiden“, so Brosius.