Jüdische Organisation warnt vor Verschwörungsideologien

Jüdische Organisation warnt vor Verschwörungsideologien
Komplett verrückt, aber gefährlich und demokratiezerstörend: Verschwörungsideologien wie "QAnon" haben sich in der Pandemie hierzulande stark ausgebreitet. Dahinter steckt immer Antisemitismus, warnt das American Jewish Committee.

Berlin (epd). Das American Jewish Committee Berlin (AJC) warnt Politik und Sicherheitsbehörden davor, die Gefährlichkeit von Verschwörungsideologien zu unterschätzen. Die Attentäter von Halle und Hanau hätten wie auch der Mörder des hessischen CDU-Politikers Walter Lübcke ebenfalls Verschwörungsmythen angehangen, sagte der Direktor des AJC Berlin, Remko Leemhuis, am Montag in der Bundeshauptstadt. Diese würden auch seit Pandemiebeginn auf sogenannten Hygiene- und „Querdenker“-Demonstrationen geäußert.

„Wir können nur eindringlich davor warnen, dieses Milieu zu unterschätzen und Verschwörungsideologien zu belächeln“, sagte Leemhuis. Alarmierend sei, dass eine nicht zu unterschätzende Zahl der Teilnehmerinnen und Teilnehmer auf den Demonstrationen aus dem bürgerlichen Spektrum komme. Diese würden sich an dem offensichtlichen Antisemitismus, der dort als Teil einer Verschwörungsideologie verbreitet werde, nicht stören oder diesen sogar teilen.

Im Auftrag des AJC hat die Recherche- und Informationsstelle Antisemitismus (Rias) eine Studie über „Antisemitische Verschwörungsmythen in Zeiten der Coronapandemie“ am Beispiel von „QAnon“ verfasst. Zwischen März 2020 und März 2021 zählte Rias bundesweit 561 antisemitische Vorfälle mit Corona-Bezug. Eine zentrale Erkenntnis der Studie ist laut Co-Autor Daniel Poensgen, dass Verschwörungserzählungen in der Regel mit Antisemitismus verbunden sind.

Dies gelte auch für die aus den USA stammende „QAnon“-Bewegung. Ihre Anhänger glauben an einen „deep state“ (englisch: tiefer Staat), in dem eine satanistische Elite Kinder foltert, um aus deren Blut ein Verjüngungsserum zu erzeugen. Vieles erinnere an die „Protokolle der Weisen von Zion“, ein auf Fälschungen beruhendes antisemitisches Pamphlet von Beginn des 20. Jahrhunderts, sagte Poensgen.

Dabei sei „QAnon“ ein Beispiel dafür, wie sich antisemitische Ideen im Zeitalter der sozialen Medien über Ländergrenzen hinweg verbreiten. Die Bewegung sei zwar kein Massenphänomen, habe aber gerade in Deutschland in Pandemie-Zeiten viele neue Anhänger gefunden. Poensgen schätzt deren Zahl hierzulande im niedrigen sechsstelligen Bereich. Mit einer breiten Vernetzung habe „QAnon“ durchaus Ansätze einer sozialen Bewegung.

Bundestagsvizepräsidentin Petra Pau (Linke) forderte, die Studie zum Bestandteil der Aus- und Weiterbildung von Polizei, Justiz sowie Pädagoginnen und Pädagogen zu machen. Es bedürfe der breiteren Aufklärung über die Mechanismen zur Verbreitung von Verschwörungsmythen und über die Gefahren, sagte die Linken-Politikerin.

Auch der FDP-Bundestagsabgeordnete Benjamin Strasser appellierte an die Sicherheitsbehörden, repressiver dagegen vorzugehen. Zudem müssten zivilgesellschaftliche Organisationen, die seit Jahren Präventionsarbeit machen, verlässlicher finanziert werden.

Die Orthodoxe Rabbinerkonferenz Deutschland erklärte, man brauche auch gegen diese „geistige Pandemie“ einen Impfstoff: „Politik und Strafverfolgungsbehörden dürfen diesem Treiben nicht länger zaghaft zuschauen, sondern müssen diesen zerstörerischen Kräften den Nährboden entziehen.“