Beurlaubung vom Maßregelvollzug kann zu Hartz-IV-Anspruch führen

Beurlaubung vom Maßregelvollzug kann zu Hartz-IV-Anspruch führen

Kassel (epd). Psychisch kranke und suchtkranke Straftäter können bei einer dauerhaften Beurlaubung aus dem Maßregelvollzug Hartz IV vom Jobcenter beanspruchen. Dies gilt zumindest dann, wenn sie als Resozialisierungsmaßnahme in einer eigenen angemieteten Wohnung „Probewohnen“ dürfen, urteilte das Bundessozialgericht (BSG) am Donnerstag in Kassel. (AZ: B 4 AS 26/20 R)

Damit bekam ein suchtkranker Straftäter aus Krefeld von den obersten Sozialrichtern recht. Wegen seiner Suchterkrankung befand er sich seit Ende 2015 im Maßregelvollzug in einer Klinik im niederrheinischen Bedburg-Hau. Mitte 2017 erhielt er die höchste Lockerungsstufe des achtstufigen Lockerungskonzepts. Damit einher ging auch die Möglichkeit einer Langzeitbeurlaubung in einer eigenen Wohnung. Im August 2017 mietete er in Krefeld eine Wohnung an.

Das Lockerungskonzept der Klinik sah unter anderem vor, dass der Mann alle zwei Wochen noch einmal bei den Ärzten vorstellig wird, er ständig telefonisch erreichbar ist und er jeglichen Kontakt zu anderen suchtkranken Personen meidet. Um seinen Lebensunterhalt decken zu können, beantragte er beim Jobcenter Hartz IV.

Die Behörde lehnte ab. Sie ging davon aus, dass der Mann trotz seines „Probewohnens“ weiterhin formal noch dem Maßregelvollzug angehört. Bei solch einer „stationären Einrichtung“ bestehe kein Anspruch auf Arbeitslosengeld II. Vielmehr sei der überörtliche Sozialhilfeträger zuständig. Der Mann wollte gerichtlich Hartz-IV-Leistungen erstreiten. Außerdem erhoffte er sich so vom Jobcenter Eingliederungsleistungen wie Zuschüsse für Arbeitgeber, die Hilfebedürftigen eine Stelle verschaffen.

Das BSG urteilte, dass dem Kläger grundsätzlich Arbeitslosengeld II zusteht. Bei einer Unterbringung im Maßregelvollzug sei zwar ein Leistungsanspruch ausgeschlossen, wenn die „Unterkunft des Berechtigten der Rechts- und Organisationssphäre des Einrichtungsträgers zugeordnet ist“. Beim „Probewohnen“ in einer vom Kläger angemieteten Wohnung, die räumlich keinen Träger zugeordnet werden konnte, bestehe solch eine Bindung zum Träger der Einrichtung nicht. Dann müsse das Jobcenter Leistungen zur Deckung des Lebensunterhalts gewähren.