Politik macht Druck bei Corona-Impfungen für Kinder

Politik macht Druck bei Corona-Impfungen für Kinder
Kinder ab zwölf Jahren können zwar gegen das Coronavirus geimpft werden, es gibt aber keine Empfehlung der zuständigen Stiko, die für alle gilt. Politisch wächst der Druck.

Berlin (epd). Mit steigender Impfquote bei den Erwachsenen in der Corona-Pandemie richtet sich das Augenmerk zunehmend auf Kinder und Jugendliche. Der Regierende Bürgermeister von Berlin, Michael Müller (SPD), bezeichnete es am Montag als „sehr sachgerecht“, Kindern und Jugendlichen von 12 bis 17 Jahren eine Covid-19-Schutzimpfung anzubieten. Über das Thema wollten die Gesundheitsminister von Bund und Ländern am Montag bei einer Online-Konferenz beraten, die am Nachmittag begann.

Seit Juni können auch Kinder ab zwölf Jahren zwar gegen das Coronavirus geimpft werden. Dazu gibt es bislang aber keine allgemeine Empfehlung der Ständigen Impfkommission (Stiko) am Robert Koch-Institut (RKI), was viele Eltern verunsichert. Das Expertengremium hat nur eine Impfempfehlung für Kinder aus Risikogruppen ausgesprochen, weil Kinder und Jugendliche meist ohne Krankheitszeichen oder mit mildem Covid-19-Verlauf erkranken.

Der Vorsitzende der Gesundheitsministerkonferenz, der bayerische Ressortchef Klaus Holetschek (CSU), sieht in den Überlegungen von Bund und Ländern keinen Widerspruch dazu. Die Politik nutze lediglich den Spielraum aus, den die Stiko eröffnet habe, betonte er.

Der Berliner Regierungschef Müller verwies im ARD-„Morgenmagazin“ auf „unterschiedliche Meinungen aus der Wissenschaft“. Zwar zögere die Stiko noch mit einer entsprechenden allgemeinen Empfehlung, andere Ärzte und Wissenschaftler jedoch wiesen darauf hin, dass eine Impfung auch bei Kindern und Jugendlichen deutlich besser vor einer Covid-19-Erkrankung schütze.

Müller sagte: „Die Impfung selbst ist eben doch überhaupt nicht so risikoreich, wie manche es befürchten.“ Insofern finde er es gut, „dass wir so ein breites Angebot machen“, ergänzte der derzeitige Vorsitzende der Ministerpräsidentenkonferenz.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach sieht die Stiko mit ihrer Position zur Corona-Schutzimpfungen in einer „Außenseiterposition“. Wesentliche Studien hätten ergeben, dass eine Durchseuchung mit der Delta-Variante viel gefährlicher sei als die Impfung von Kindern, sagte der Bundestagsabgeordnete am Montag im Deutschlandfunk.

Stiko-Chef Thomas Mertens verteidigte die Position des Expertengremiums. „Wir sagen, wir können nicht eine generelle Empfehlung aussprechen, solange wir diesbezüglich nicht die notwendige Datensicherheit haben“, sagte er am Montag dem Radiosender NDR Info und fügte hinzu: „Es kann durchaus sein, dass wir unsere Empfehlung ändern werden, aber sicher nicht, weil Politiker sich geäußert haben.“

Unterstützung erhielt Mertens vom Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung (KBV), Andreas Gassen. Impfungen von gesunden Kindern und Jugendlichen seien noch mit zu vielen Unwägbarkeiten behaftet, um eine generelle Impfempfehlung auszusprechen, sagte er der Düsseldorfer „Rheinischen Post“ (Dienstag). Gassen warf der Politik vor, ihr Versäumnis, andere Schutzmaßnahmen etwa an Schulen zu ergreifen, abzuwälzen, indem diese einen erheblichen Impfdruck aufbaue.

Die Ministerpräsidentin von Mecklenburg-Vorpommern, Manuela Schwesig (SPD), rief ungeimpfte Erwachsene auf, sich gegen Corona impfen zu lassen, um Kinder zu schützen. „Der Druck darf nicht bei den Kindern sein“, sagte Schwesig dem Nachrichtensender „Welt“. Die Erwachsenen müssten „dafür sorgen, dass es für unsere Kinder gut läuft“. Dafür sei der Impfstoff „das Hauptinstrument“.

Laut Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) sind inzwischen in Deutschland mehr als 43 Millionen Menschen (52,3 Prozent) vollständig geimpft, gut 51 Millionen Menschen (61,7 Prozent) mindestens einmal. Seinen Angaben nach sind rund 900.000 12- bis 17-Jährige geimpft - jeder fünfte dieser Gruppe habe eine Erstimpfung erhalten.