Regierung: "Keine allgemeine Impfpflicht durch die Hintertür"

Regierung: "Keine allgemeine Impfpflicht durch die Hintertür"
Die Corona-Infektionszahlen steigen weiter. Das liegt nach Einschätzung der Regierung auch daran, dass die Schnelltests nicht ganz so sicher sind. Sollen Geimpfte deshalb mehr Freiheiten haben als Ungeimpfte mit Negativ-Test? Darüber gibt es Streit.

Berlin (epd). Wegen steigender Corona-Zahlen nimmt die Debatte über den Umgang mit Ungeimpften Fahrt auf. Die Bundesregierung bekräftigte am Montag, „keine allgemeine Impfpflicht durch die Hintertür“ zu wollen. Die stellvertretende Regierungssprecherin Ulrike Demmer fügte aber hinzu, dass alles getan werden müsse, um zu vermeiden, dass die Infektionslage wieder so dramatisch werde wie im Frühjahr.

Kanzleramtsminister Helge Braun (CDU) hatte am Wochenende gesagt, dass in der vierten Welle der Corona-Pandemie die lediglich negativ auf das Virus Getesteten möglicherweise weniger Freiheiten bekommen als Geimpfte.

Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) lehnte den Vorstoß am Montag ab. Bisher gelte das Prinzip „geimpft, genesen oder getestet“ für Erleichterungen, sagte sie im Deutschlandfunk. Mit diesem Verfahren sei man gut gefahren. Alle Gruppen müssten die gleichen Zugangsrechte haben. Lambrecht verwies zudem auf die Vertragsfreiheit. Dies bedeute, dass beispielsweise Gastronomen selbst entscheiden könnten, ob nur noch Geimpfte ein Lokal betreten dürften.

Weltärztepräsident Frank Ulrich Montgomery hält es dagegen für richtig, wenn gegen das Coronavirus Geimpfte mehr Möglichkeiten und Freiheitsräume bekommen als Nichtgeimpfte. „Es gibt keinen Grund, Geimpften und Immunen ihre Grundrechte weiter vorzuenthalten, nur weil ein paar ewige Skeptiker sich der Impfung entziehen“, sagte er den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). „Das gilt, sobald alle ein Impfangebot erhalten haben. Und das ist inzwischen geschehen.“

Der Verfassungsrechtler Stephan Rixen warnte vor pauschalen Regelungen. Das Mitglied des Deutschen Ethikrats äußerte sich im Sender Bayern2 skeptisch zu Überlegungen, auf diesem Weg die Impfbereitschaft der Menschen erhöhen zu wollen. Der Staat dürfe zwar grundsätzlich Unterschiede zwischen Geimpften und Ungeimpften machen, betonte der Verfassungsrechtler der Universität Bayreuth. Doch müsse es dafür einen sachlichen Grund geben. Der Staat müsse fragen: „Kann ich die Gefahr, um die es geht, in der konkreten Situation - Restaurant, Kino und Stadion - kann ich die nur durch einen Impfnachweis in den Griff bekommen. Ich glaube, dass das in diesen Konstellationen nicht zwingend allein durch einen Impfnachweis geschieht.“

Linksfraktionschef Dietmar Bartsch kritisierte die „permanente Verunsicherung aus dem Kanzleramt mit Pseudoankündigungen“. Er sagte dem RedaktionsNetzwerk Deutschland : „Helge Brauns Vorschlag wird mindestens bis zur Bundestagswahl nicht in die Tat umgesetzt werden.“

Regierungssprecherin Demmer verwies derweil darauf, dass die Corona-Fallzahlen zuletzt innerhalb einer Woche um 75 Prozent gestiegen seien. Wenn diese Entwicklung andauere, würden zusätzliche Maßnahmen nötig. Sie betonte, dass Genesene mit einer Impfung und doppelt Geimpfte nicht mehr relevant zum Infektionsgeschehen beitrugen - im Gegensatz zu Personen, die lediglich mit Covid-19-Antigen-Schnelltests getestet wurden. „Diese Tests sind eben nicht ganz so sicher.“

Derzeit sind nach Angaben des Robert Koch-Instituts (RKI) fast 61 Prozent der deutschen Bevölkerung mindestens einmal gegen das Coronavirus geimpft worden. Knapp 50 Prozent haben den vollständigen Schutz, für den bei den meisten Vakzinen eine zweite Impfung notwendig ist. Die sogenannte Herdenimmunität setzt nach Schätzung des RKI eine Impfquote von mehr als 80 Prozent voraus.