Asylverfahrensrichter wegen Sympathien für NPD-Wahlplakat befangen

Asylverfahrensrichter wegen Sympathien für NPD-Wahlplakat befangen

Karlsruhe (epd). Das Bundesverfassungsgericht hat einen Richter des Verwaltungsgerichts Gießen in einem Asylrechtsstreit für befangen erklärt. Nach Auffassung der Verfassungsrichter kann ein Richter, der in der Migration ein grundsätzliches Übel und eine „Gefahr für menschliches Leben“ sieht, nicht unparteiisch über Asylverfahren entscheiden. Der Gießener Verwaltungsrichter hatte sich zuvor Aussagen eines NPD-Wahlplakates mit dem Slogan „Stoppt die Invasion: Migration tötet! Widerstand jetzt“ zu eigen gemacht. Damit könne er in Asylverfahren nicht unparteiisch sein, entschied das Bundesverfassungsgericht in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss (AZ: 2 BvR 890/20).

Konkret ging es um einen afghanischen Flüchtling, dessen Asylantrag im März 2017 abgelehnt wurde. Als dieser vor dem Verwaltungsgericht Gießen klagte, lehnte der Flüchtling den zuständigen Einzelrichter als befangen ab. Er verwies auf Äußerungen des Richters in einem anderen Urteil im Streit über die Zulässigkeit eines NPD-Wahlplakates anlässlich der Europawahl im Mai 2019. Das Wahlplakat mit dem Slogan „Stoppt die Invasion: Migration tötet! Widerstand jetzt“ wurde von ihm nicht als volksverhetzend und für zulässig angesehen.

In dem Urteil beklagte der Richter eine „invasive Einreise“ von Ausländern. Einwanderung stelle eine „Gefahr für die deutsche Kultur und Rechtsordnung sowie menschliches Leben“ dar. Dass „Migration tötet“, sei ihm anhand von Einzelfällen bekannt.

Den Befangenheitsantrag des Flüchtlings gegen den Richter wies das Verwaltungsgericht Gießen ab. Das Plakat sei nicht als volksverhetzend einzustufen, „sondern als die Realität teilweise darstellend zu bewerten“. Auch dem Gericht seien Fälle bekannt, in denen Asylbewerber zu Mördern wurden.

Das Bundesverfassungsgericht entschied, dass die Ablehnung des Befangenheitsantrags willkürlich erfolgt sei. Der Flüchtling habe zu Recht „Zweifel an der Unvoreingenommenheit des abgelehnten Richters“ gehabt.

In der ablehnenden Entscheidung über den Befangenheitsantrag habe das Verwaltungsgericht Einzelfälle von schweren Straftaten von Asylsuchenden als prägend nicht nur für die Gruppe der Asylsuchenden, sondern für den gesamten Bereich der Migration verallgemeinernd dargestellt. Zum Urteil des Verwaltungsrichters stellten die Verfassungsrichter fest, „dass der Richter, der es abgefasst hat, Migration für ein grundlegendes, die Zukunft unseres Gemeinwesens bedrohendes Übel hält“. Die Aussagen des Richters seien offensichtlich geeignet, dessen Unparteilichkeit anzuzweifeln.