Haiti: Warnung vor weiterer Gewalt nach Ermordung von Präsident Moïse

Haiti: Warnung vor weiterer Gewalt nach Ermordung von Präsident Moïse
Nach der Ermordung des haitianischen Präsidenten Jovenel Moïse warnen EU-Vertreter und Hilfsorganisation vor einer weitere Zunahme der Gewalt. Das könnte auch die humanitäre Hilfe im Land erschweren.

Berlin, Port-au-Prince (epd). Der haitianische Präsident Jovenel Moïse ist in der Nacht zum Mittwoch ermordet worden. Unbekannte seien in das Haus des 53-Jährigen eingedrungen und hätten ihn erschossen, teilte der scheidende Ministerpräsident Claude Joseph mit. Moïses Ehefrau Martine sei bei dem Anschlag verletzt worden, erklärte Joseph in einer Radioansprache. Wer hinter dem Attentat stecke, sei bislang unklar. Die Angreifer hätten Spanisch gesprochen.

Joseph erklärte, die Polizei habe die Lage im Land im Griff und werde Maßnahmen ergreifen, um die Nation zu schützen. Die Kontinuität der Regierung sei gewährleistet, sagte er: „Wir sind eine Demokratie.“ Joseph selbst wird in diesen Tagen nach nur dreimonatiger Amtszeit durch Ariel Henry ersetzt.

Die Sprecherin des Weißen Hauses, Jen Psaki, bezeichnete die Ermordung Moïses in einem Interview mit dem Fernsehsender CNN als „Tragödie“ und „fürchterliches Verbrechen“. Der haitianischen Regierung sagte sie Unterstützung bei den Ermittlungen zu. Der EU-Außenbeauftragte Josep Borrell zeigte sich ebenfalls schockiert von der Ermordung des Präsidenten und seiner Ehefrau. „Das Verbrechen zieht die Gefahr von Instabilität und einer Gewaltspirale nach sich“, schrieb Borrell auf Twitter. Die Verantwortlichen müssten gefunden und vor Gericht gestellt werden.

Auch die Haiti-Landesdirektorin der Welthungerhilfe, Annalisa Lombardo, warnte vor einer Zunahme der Gewalt. Viele Menschen in Haiti befürchteten, dass sich die Gewalt ausbreite, sagte sie dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das würde die Unterstützung von mehr als vier Millionen Hilfsbedürftigen im Land weiter erschweren. Es seien aber zum jetzigen Zeitpunkt noch viele Fragen offen. „Wir wissen noch nicht, wie sich die Lage entwickeln wird.“

In dem von Armut und Kriminalität geprägten Land kommt es immer wieder zu gewaltsamen Protesten gegen die Regierung. Vergangene Woche waren bewaffnete Banden aus ihren angestammten Viertel in die Knotenpunkte der Hauptstadt Port-au-Prince vorgedrungen, wodurch sich die Lage weiter zuspitzte.

Die in Frankfurt ansässige Hilfsorganisation medico international machte den nun getöteten Präsidenten mitverantwortlich für die Gewalt. Er habe Banden in seinem Interesse mobilisiert. „Unter Moïses Herrschaft und als Teil seiner Herrschaftssicherung haben in den letzten zwei Jahren zehn Massaker in Haiti stattgefunden“, erklärte die Organisationen auf Twitter.

Die haitianische Opposition hatte die Rechtmäßigkeit von Moïses Präsidentschaft bestritten. Der Staatschef war 2016 gewählt worden, hatte sein fünf Jahre dauerndes Amt aber erst im Februar 2017 übernommen. Deshalb wollte er erst 2022 abdanken. Kritiker sind der Meinung, dass der Staatschef am 7. Februar dieses Jahres hätte gehen müssen. Auch der Oberste Gerichtshof hatte entschieden, dass Moïse zurücktreten muss. Die EU und die USA hatten den Regierungschef zuletzt unterstützt.

Gegen die Gewalt in Haiti gibt es immer wieder Proteste. Im April hatte die katholische Bischofskonferenz zu einem Streik aufgerufen, nachdem sieben Kirchenvertreter entführt worden waren. Zahlreiche Schulen, Firmen und Geschäfte blieben geschlossen. Haiti ist das ärmste Land Lateinamerikas. Etwa 70 Prozent der 11,2 Millionen Einwohner des karibischen Inselstaates leben in Armut.