"Ein Leuchtturm in der dunkelsten Zeit"

"Ein Leuchtturm in der dunkelsten Zeit"
Der Christliche Hilfsbund im Orient hilft Verfolgten seit 125 Jahren
Von den Massakern an den Armeniern im Osmanischen Reich bis zu den Morden des IS in Syrien und Irak: Der Christliche Hilfsbund im Orient hilft seit 125 Jahren verfolgten Christen in Nahost.
01.07.2021
epd
Von Jens Bayer-Gimm (epd)

Bad Homburg (epd). Es waren schreckliche Berichte in einer US-Zeitschrift Anfang 1896, die den evangelischen Frankfurter Pfarrer Ernst Lohmann (1860-1936) nicht mehr losließen: Im Osmanischen Reich wurden mehr als 100.000 Armenier getötet, Hunderte Kirchen zerstört, Dörfer geplündert und die Bewohner vertrieben. „In Deutschland wusste kaum jemand etwas davon“, schrieb Lohmann später. Er habe sich an kirchliche und staatliche Stellen mit der Bitte um Hilfe gewandt. „Überall erfuhr ich Ablehnung, von oben wurde es nicht gewünscht.“ Das Deutsche Reich wollte das Osmanische Reich als Verbündeten nicht vergrätzen.

Der Pfarrer veröffentlichte ein Flugblatt und brachte damit eine Hilfsbewegung ins Rollen, die sich seit 125 Jahren für verfolgte Christen im Nahen Osten engagiert. Am 2. Juli 1896 gründeten Lohmann, der Berliner Pfarrer Johannes Lepsius, der im Herbst zuvor die „Deutsche Orient-Mission“ gegründet hatte, und andere in Frankfurt am Main den „Deutschen Hilfsbund für Armenien“. Ins Osmanische Reich entsandte Helfer bauten mit Spenden Waisenhäuser und Schulen für armenische Kinder und leisteten Armen Hilfe, wie der Geschäftsführer und theologische Leiter des Nachfolgevereins Christlicher Hilfsbund im Orient, Andreas Baumann, erklärt.

Als die Verfolgung der Armenier durch die Türken sich 1915 bis 1917 zum Völkermord mit rund 1,5 Millionen Toten steigerte, retteten die Mitarbeiter des Hilfsbundes Tausende von Schützlingen. Der Verein leistete soziale Hilfe für die Flüchtlinge in Nachbarländern wie Griechenland, Bulgarien und Syrien, half beim Bau von Häusern und Schulen. „Niemand von uns, ich am allerwenigsten, ahnte, welch einen ernsten, schweren Kampf wir mit dieser Arbeit übernahmen, und dieser Kampf ist noch nicht zu Ende“, schrieb Ernst Lohmann 1921 ahnungsvoll.

Das Hilfswerk weitete im Lauf der Jahrzehnte die Arbeit aus, wie Geschäftsführer Baumann sagt. Ab 1947 kam die Unterstützung armenischer Flüchtlinge in dem libanesischen Ort Anjar hinzu, wo der Hilfsbund half, Land urbar zu machen, Waisenhaus, Schule, Internat und Klinik zu bauen. Das verheerende Erdbeben 1988 in Armenien veranlasste den Verein, Hilfsgüter zu liefern und ein Haus für Waisen und Straßenkinder zu unterstützen.

Die Bombenanschläge und Vertreibung der Christen aus dem Zentralirak erweiterte ab 2007 erneut das Betätigungsfeld des Vereins, der sich 1996 in Christlicher Hilfsbund im Orient umbenannt hatte. Der Bürgerkrieg in Syrien veranlasste den Verein 2012 zur Wiederaufnahme humanitärer Hilfe in Syrien und zur Unterstützung von Schülern und Studenten. Seit dem Vernichtungsfeldzug des IS im Jahr 2014 unterstützt der Hilfsbund vertriebene Christen im Nordirak bei der Berufsausbildung und vergibt Kleinkredite zum Aufbau einer Existenz.

Der Verein zählt gut 60 Mitglieder und einen Kreis von knapp 3.000 Freunden und Unterstützern. Jährlich erhält er nach Baumanns Angaben 500.000 bis 600.000 Euro an Spenden, die komplett in die Projektarbeit fließen. Fünf Mitarbeiter auf drei Stellen bewältigen die Arbeit. Die Kosten für die Verwaltung werden von den Erträgen der eigenen Stiftung gedeckt.

Kooperationspartner des Christlichen Hilfsbundes im Orient äußern sich dankbar über die Zusammenarbeit. „Der Hilfsbund hat eine große Bedeutung für Armenier“, sagt Baru Jambazian, Leiter der Hilfsorganisation „Diaconia Charitable Fund“ im armenischen Jerewan. „Dass Menschen in Deutschland für Armenier in Not beten, kann man nicht mit Geld aufwiegen.“ Der Pfarrer und Schulleiter im libanesischen Anjar, Hagob Akbasharian, schreibt: „Der Hilfsbund ist ein Leuchtturm für Hunderte von Kindern und die Dorfgemeinschaft in der dunkelsten Zeit ihres Lebens gewesen.“

Das 125-Jahr-Jubiläum spornt den Hilfsbund an, für ein besonderes Jubiläumsprojekt im Irak eine Spendensumme von 125.000 Euro einzuwerben: Damit sollen 30 Arbeitsplätze geschaffen werden und Christen eine Lebensperspektive erhalten.