Antisemitische Proteste bedrücken Holocaust-Überlebende

Antisemitische Proteste bedrücken Holocaust-Überlebende
Holocaust-Überlebende fürchten, dass die Ächtung des Antisemitismus in der Gesellschaft nachlässt. Der Zentralrat der Juden meldet täglich Dutzende Hass-Nachrichten.

Frankfurt a.M. (epd). Antisemitismus bei den Nahost-Protesten in Deutschland ist laut dem Internationalen Auschwitz Komitee für Holocaust-Überlebende kaum zu ertragen. „Israel ist für die Überlebenden immer eine Hoffnung gewesen, ein Staat, der ihnen Schutz gibt, der für sie immer ein sicherer Hafen ist“, sagte Christoph Heubner, Vizepräsident des Komitees, den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Sonntag, online). Gerade die Überlebenden hätten angesichts ihrer traumatischen Erinnerungen immer gehofft, dass für Israelis und Palästinenser ein friedliches Leben möglich sei.

Das Komitee sei besorgt über Veränderungen, die mit juden- und israelfeindlichen Hassparolen auf propalästinensischen Kundgebungen sichtbar geworden seien, sagte Heubner. „Jede antisemitische Protestattacke, jede angezündete Israelflagge, jeder durchgestrichene Judenstern, jeder zerstörte Stolperstein, bestätigt, dass in der Gesellschaft etwas ins Rutschen gekommen ist“, mahnte er.

Entscheidend sei nun die Frage, ob es der deutschen Gesellschaft nach der allgemeinen Empörung über die Proteste gelinge, einen Schritt weiter zu gehen. Sie müsse deutlich machen, dass Antisemitismus nicht toleriert wird. „Es war über jahrzehntelang gesellschaftlicher Konsens, dass Antisemitismus zu ächten ist. Aber viele Überlebende zweifeln daran, dass der Konsens heute noch so besteht.“

Der Präsident des Zentralrats der Juden, Josef Schuster, sagte der „Bild am Sonntag“, sie erhielten derzeit täglich etwa 50 Hass-Nachrichten. Dabei wüssten die meisten Absender „genau, wie sie vorgehen müssen, um für ihre verbalen Angriffe nicht juristisch belangt zu werden - und das deutsche Strafrecht lässt ihnen im Internet große Schlupflöcher“. Obwohl Schreiben unter Klarnamen geschickt worden seien, könne der Zentralrat nicht juristisch vorgehen, kritisierte Schuster, weil das Strafrecht derzeit zum Beispiel Beleidigungen nur gegen Personen, nicht aber gegen Institutionen unter Strafe stelle. Die Bundesregierung arbeitet an einer Regelung, hetzerische Beleidigungen per E-Mail oder Nachricht in sozialen Netzwerken unter Strafe zu stellen.

Bundestagspräsident Wolfgang Schäuble (CDU) verlangte in der „Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung“ entschlossenere Polizeimaßnahmen und stärkere Integrationsbemühungen. Die Mehrheit in Deutschland sei allerdings nicht antisemitisch, betonte er. „Im Gegenteil: Sie empfindet es als Glück, dass nach der Shoah wieder Juden hier leben“, sagte Schäuble.