Gauck: Polarisierung der Gesellschaft nicht leicht zu überwinden

Gauck: Polarisierung der Gesellschaft nicht leicht zu überwinden

Berlin (epd). Der frühere Bundespräsident Joachim Gauck befürchtet als Langzeitfolge der Corona-Pandemie eine Verfestigung des Individualismus. „Die Vereinzelung in den Gesellschaften des Westens nimmt zu, und auch die Abgrenzung zwischen verschiedenen Gruppen“, sagte Gauck dem „Tagesspiegel“ (Sonntag). Dies werde nun möglicherweise gesteigert, obwohl andererseits das Bedürfnis nach Gemeinsamkeit bestehe.

Die Gesellschaft sei von einer großen Verschiedenheit geprägt, so Gauck: „Umso wichtiger ist ein demokratischer Grundkonsens, der Werte und Spielregeln widerspiegelt, die für alle gelten, der alle verbindet und bindet und der nicht nur den Verstand, sondern auch das Gemüt der Menschen anspricht.“

Weiter sagte Gauck, die gewachsene Polarisierung in der Gesellschaft werde nicht so schnell überwunden, „weil Lagerzugehörigkeit auch ein Sicherheitsbedürfnis befriedigt. Jeder bleibt in seiner Blase.“ Um von dem polarisierenden Denken loszukommen, brauche es den ernsthaften Entschluss, sich auch für Argumente der anderen Seite zu öffnen. „Wir müssen begreifen, dass robuste Debatten und richtiger Streit nicht schädlich sind.“ Sie seien ein Zeichen der Demokratie. Neben der offenen Debatte ohne Ausgrenzung und Verachtung werde aber auch der Kompromiss gebraucht.