Urteil im Dresdner Mordprozess erwartet

Urteil im Dresdner Mordprozess erwartet
Zwei Männer sind im Oktober 2020 im Dresdner Stadtzentrum niedergestochen worden - einer starb, einer überlebte schwer verletzt. Die Bundesanwaltschaft fordert die Höchststrafe, der Verteidiger will Jugendstrafrecht geltend machen.

Dresden (epd). Gut sieben Monate nach der tödlichen Messerattacke in Dresden soll am Freitag das Urteil gesprochen werden. Die Bundesanwaltschaft fordert eine lebenslange Freiheitsstrafe für den 21-jährigen Angeklagten mit Sicherungsverwahrung unter Vorbehalt. Sie hatte eine besondere Schwere der Schuld festgestellt und eine Verurteilung nach Erwachsenenstrafrecht gefordert, auch wenn der Syrer zum Tatzeitpunkt erst 20 Jahre alt war. Verteidiger Peter Hollstein plädierte am Mittwoch vor dem Oberlandesgericht Dresden für die Anwendung von Jugendstrafrecht. Damit würde sich die Zeit bis zum Prüfen einer Sicherungsverwahrung verkürzen.

Der Syrer soll am 4. Oktober 2020 in Dresden ein schwules Paar niedergestochen haben. Einer der Männer aus Nordrhein-Westfalen starb kurz nach dem Angriff, sein Lebenspartner wurde schwer verletzt. In einem Gespräch mit dem Psychiater Norbert Leygraf im Gefängnis hatte der Angeklagte den Tathergang beschrieben. Der Prozess hatte am 12. April begonnen.

Sein Mandant sei drei Jahre in staatlicher Obhut im Gefängnis gewesen, zum Teil in Isolation, sagte Hollstein. Es sei fraglich, ob der Syrer dort zu einem Erwachsenen herangereift sei. Er könne nicht feststellen, dass mit ihm an einer „Nachreife“ gearbeitet wurde, um aus einem kriminellen Verhalten herauszufinden, sagte Hollstein. Er sei weggesperrt und allein gelassen worden. Rein rechtlich sei er aber für Mord, versuchten Mord und gefährliche Körperverletzung zu bestrafen. Die tödliche Messerattacke sei zu bedauern, sie sei die Einzeltat eines Einzeltäters gewesen. Der Angeklagte sei nicht Teil einer organisierten Struktur der Terrormiliz „Islamischer Staat“.

Die Bundesanwaltschaft hatte in ihrem Plädoyer das radikal-islamistische und homophobe Tatmotiv des jungen Syrers betont. Der Angeklagte habe sich spätestens seit 2016 zunehmend radikalisiert. Er habe „Ungläubige“ töten wollen. Es müsse davon ausgegangen werden, dass er weitere Straftaten begeht.

Hollstein zufolge hat der polizeibekannte vorbestrafte Gefährder für sich allein und aus einer religiös-eingeschränkten Sichtweise heraus gehandelt. Mit der Tat habe er die Schuld sühnen wollen, die er seiner Meinung nach auf sich genommen habe. Er habe seinem Gott beweisen wollen, dass er des Paradieses würdig ist - so absurd das auch sei.

Zum Abschluss der Hauptverhandlung plädierten am Mittwoch zudem die Vertreter der Nebenklage. Sie folgten den Forderungen der Bundesanwaltschaft. Der Angeklagte erklärte zum Abschluss vor Gericht: „Egal, was ich sage, es spielt keine Rolle, ich verlasse mich auf Gott.“ Während der Verhandlung hatte der Syrer geschwiegen.