Gedenkstättenarbeit unverzichtbar

Ein Zaun und ein Wachturm sind an der Gedenkstätte des Konzentrationslagers Dachau
© Sven Hoppe/dpa
US-amerikanische Soldaten hatten am 29.04.1945 mehr als 30 000 Menschen befreit, die im Konzentrationslagers Dachau inhaftiert waren.
Gedenkstättenarbeit unverzichtbar
Politiker und Überlebende erinnern an 76. Befreiungstag des KZ Dachau
Im Rahmen eines digitalen Programms haben Politiker und Historiker sowie Überlebende und ihre Angehörigen an die Befreiung des KZ Dachau vor 76 Jahren erinnert. Im Zentrum stand die Mahnung, die Auseinandersetzung mit der NS-Zeit weiterzuführen.
02.05.2021
epd
Susanne Schröder

Dachau (epd). Videobotschaften, gestreamte Live-Gesprächen, Online-Gedenken: Mit einem viertägigen digitalen Programm hat die KZ-Gedenkstätte Dachau an den 76. Jahrestag der Befreiung des KZ Dachau am 29. April 1945 erinnert. Gedenkstätten-Leiterin Gabriele Hammermann bedauerte dennoch, dass nach der Absage der 75-Jahrfeier im Jahr 2020 das Gedenken auch in diesem Jahr wegen der Corona-Pandemie nur virtuell stattfinden konnte. „Wir hätten uns sehr über die persönliche Begegnung mit den Überlebenden und ihren Angehörigen gefreut“, sagte die Historikerin bei der zentralen Gedenkveranstaltung am Sonntag.

Gabriele Hammermann, Leiterin der KZ-Gedenkstätte Dachau.

Monika Grütters (CDU), Beauftragte der Bundesregierung für Kultur und Medien, betonte bei der virtuellen Gedenkfeier in ihrem Grußwort, dass Menschen auch 76 Jahre nach Ende des NS-Terrorregimes vor Diskriminierung und Ausgrenzung geschützt werden müssten. „Wir müssen unsere demokratischen Werte verteidigen gegen jene, die sie heute mit Füßen treten“, so die Politikerin weiter. Es sei dafür unerlässlich zu verstehen, „wie die Nationalsozialisten ein ganzes Volk zu Mitwissern, Handlangern und Vollstreckern ihres Vernichtungsfeldzugs machen konnten“, sagte Grütters.

Der bayerische Kultusminister Michael Piazolo (Freie Wähler) mahnte, dass „eine Staats- und Gesellschaftsordnung ohne Gott und ohne Achtung der Menschenwürde unweigerlich ins Verderben“ führe. Die Arbeit der Gedenkstätten sei „unverzichtbar für die Prävention gegen Extremismus“. Der Präsident des Internationalen Dachau-Komitees (CID), Jean-Michel Thomas, verwies auf die positive Entwicklung der letzten 76 Jahre, ergänzte aber, dass es weltweit „immer noch gravierende Ungleichheiten bezüglich der Menschenwürde“ gebe.

Mit Videobotschaften zugeschaltet waren auch Dachau-Überlebende wie Abba Naor, Elly Gotz und Leslie Rosenthal sowie einer der Befreier. Hilbert Margol, Mitglied der US-amerikanischen „Rainbow Division“, berichtete von den Eindrücken, die die Soldaten bei der Befreiung des KZ Dachau am 29. April 1945 bekamen. Der 97-Jährige kündigte an, zum nächsten Jahrestag im April 2022 nach Dachau kommen zu wollen. Der Überlebende Leslie Rosenthal, 1945 als eins von sieben Babys im KZ Dachau geboren, erinnerte an einen Satz seiner Mutter Miriam: „Wir müssen Toleranz üben trotz unserer unterschiedlichen Herkunft, Hautfarbe und Religion - denn wir sind alle Kinder Gottes.“

Bereits am Samstagabend hatte ein Dachauer Bündnis an die Opfer des Todesmarschs erinnert. Noch in den letzten Tagen vor der Befreiung des KZ Dachau schickte die SS die entkräfteten Häftlinge zu Tausenden Richtung Alpen. Mindestens tausend Menschen starben dabei. „Wir sind tagelang marschiert, ohne Verpflegung, ohne Wasser, wir haben Gras gegessen - wer nicht mehr laufen konnte, wurde erschossen“, berichtete der aus Israel angereiste Abba Naor, selbst Todesmarsch-Überlebender.

Das Konzentrationslager Dachau wurde 1933 als erstes KZ von den Nationalsozialisten errichtet. Über 200.000 Menschen wurden hier aufgrund ihres Glaubens oder ihrer Herkunft, ihrer politischen Haltung oder ihrer sexuellen Ausrichtung gefangen gehalten. Etwa 41.500 Menschen starben an den Schikanen, an Mangelernährung und Folter.