Soziologe: Armutsberichte haben Politik verändert

Soziologe: Armutsberichte haben Politik verändert

Bremen (epd). Dem Soziologen Jürgen Schupp zufolge haben die Armuts- und Reichtumsberichte der Bundesregierung in den vergangenen 20 Jahren zu einer Veränderung der Politik geführt. "Tatsächlich sind viele Arme nicht mehr ganz so arm wie vorher" sagt der Professor der Freien Universität Berlin dem Bremer "Weser-Kurier" (Samstag). Der erste Armuts- und Reichtumsbericht der Bundesregierung erschien am 25. April 2001. Seitdem sind vier weitere veröffentlicht worden. Die sechste Studie wird in Kürze erwartet.

Trotzdem gehe die Armutsquote nicht zurück, schränkte Schupp ein, also der Anteil der Menschen, die weniger als 60 Prozent des mittleren Einkommens der Gesellschaft zur Verfügung haben. Das liege auch an der Zuwanderung. Denn Migranten brauchten vielfach einige Jahre, bis ein Teil von ihnen den sozialen Aufstieg schaffe.

Die Berichte hätten erstmals ein Bewusstsein dafür geschaffen, dass mehr als zehn Millionen Erwachsene in Deutschland arm sind, sagte Schupp. Der Armutsexperte leitete bis 2017 das Sozio-oekonomische Panel am Deutschen Institut für Wirtschaftsforschung. Dessen Forschungsergebnisse bilden eine wesentliche Datengrundlage für die Armuts- und Reichtumsberichte. Schon die erste Studien hätten gezeigt, dass Erwerbslose und Alleinerziehende besonders betroffen seien, sagte er. Die Zahlen hätten beispielsweise den Anstoß gegeben, das Kindergeld und den Kinderfreibetrag zu erhöhen.

Schupp mahnte die Politik, den Anteil armer Menschen in der Bevölkerung zu verringern und die Dauer von Armut zu verkürzen. "Würden die Armen stärker vom Wirtschaftswachstum profitieren, wäre auch der Abstand zu den Wohlhabenden und Reichen kleiner und nicht größer", betonte er. "Da hat auch Deutschland noch einiges zu tun."

Um dies zu erreichen, schlug Schupp unter anderem eine Erhöhung der Erbschaftsteuer vor. Sie sei im internationalen in Deutschland zu niedrig. "Einen Teil der großen Vermögen könnte man umverteilen und in Zukunftschancen für Millionen Menschen investieren", erklärte er. "Die soziale Polarisierung nähme ab, und der Wohlstand der gesamten Gesellschaft stiege."