"Corona-Notbremse" kann in Kraft treten

geschlossenes Restaurant auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche
© Sebastian Kahnert/dpa
Geschlossenes Restaurant auf dem Neumarkt vor der Frauenkirche in Dresden. Die höchsten Inzidenzwerte gibt es derzeit in Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern.
"Corona-Notbremse" kann in Kraft treten
Die einheitliche "Corona-Notbremse" kann kommen. Am Donnerstag stimmte der Bundesrat der Änderung des Infektionsschutzgesetzes zu. Bundespräsident Steinmeier unterzeichnete es direkt im Anschluss. Die Kritik an dem Gesetz reißt dennoch nicht ab.

Berlin (epd). Die bundesweite "Corona-Notbremse" kommt. Der Bundesrat ließ am Donnerstag bei einer Sondersitzung in Berlin die Änderung des Infektionsschutzgesetzes passieren. Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier unterzeichnete es noch am Nachmittag, wie eine Sprecherin des Bundespräsidenten miteilte. Damit kann es nach Veröffentlichung im Gesetzesblatt in Kraft treten. Die Änderung gibt dem Bund mehr Befugnisse bei der Bekämpfung der Pandemie, die bisher allein den Ländern und Kommunen vorbehalten waren. Insbesondere die nächtliche Ausgangssperre bleibt umstritten. Nach der FDP planen auch die Freien Wähler eine Verfassungsbeschwerde gegen die Regelung.

Die "Notbremse" soll dafür sorgen, dass in jedem Landkreis bundesweit die gleichen Regeln gelten, wenn dort die Zahl der Neuansteckungen pro 100.000 Einwohner binnen sieben Tagen den Wert von 100 übersteigt. Dazu zählen unter anderem Kontaktbeschränkungen, Schließungen von Geschäften und Freizeiteinrichtungen sowie eine nächtliche Ausgangssperre. Sie gilt zwischen 22 und 5 Uhr. Eine Ausnahme gibt es bis Mitternacht für Einzelpersonen, die zum Joggen oder Spazieren ins Freie gehen.

Schulen müssen dem Gesetz zufolge ab einer Sieben-Tage-Inzidenz von 165 den Präsenzbetrieb einstellen. Die Regelungen gelten, wenn die Inzidenz den jeweiligen kritischen Wert an drei aufeinanderfolgenden Tagen übersteigt. Sie sind gleichzeitig bis Ende Juni befristet. Der Bundestag hatte das Gesetz am Mittwoch beschlossen. Angesichts der derzeit hohen Infektionszahlen wurde das Gesetzgebungsverfahren in weniger als zwei Wochen abgeschlossen.

Das Robert Koch-Institut (RKI) meldete am Donnerstag fast 30.000 (29.518) nachgewiesene Neuinfektionen binnen 24 Stunden. Die bundesweite Inzidenz lag bei 161,1. Die höchsten Inzidenzwerte gibt es derzeit in Thüringen, Sachsen, Baden-Württemberg und Bayern. Nur in Schleswig-Holstein liegt die landesweite Inzidenz laut RKI unter dem Wert 100 (70,9).

Hessens Ministerpräsident Volker Bouffier (CDU) sagte, es sei richtig, jetzt zu handeln, um die Zahl der Infektionen zu senken. Dennoch habe er Bedenken gegen die konkrete Regelung, sagte er und verwies auf rechtliche und praktische Einwände, die auch die Frage der Akzeptanz der Regelungen in der Bevölkerung berührten. "Man braucht die Bürger als Partner", sagte Bouffier. Gleichzeitig nannte er den Vorwurf, die Länder würden "entmachtet", "Blödsinn".

"Für den Infektionsschutz ist das kein großer Wurf", sagte Niedersachsens Regierungschef Stephan Weil (SPD). Das könnte am ehesten noch die nächtliche Ausgangsbeschränkung für sich in Anspruch nehmen. Dagegen gebe es aber verfassungsrechtliche Bedenken, sagte Weil, der nach eigenen Worten damit rechnet, dass das Gesetz vor dem Bundesverfassungsgericht landet.

Die Freien Wähler kündigten dies am Donnerstag konkret an und veröffentlichten eine Beschwerdeschrift. Der Bundesvorsitzende Hubert Aiwanger, der auch stellvertretender bayerischer Ministerpräsident ist, sagte, es gehe darum, die Freiheitsrechte der Bürger zu verteidigen.

Ausgangssperren könnten im Einzelfall durchaus erlassen werden, sie dürften aber nicht automatisch per Bundesgesetz kommen, ohne dass regionale Besonderheiten berücksichtigt würden, sagte Aiwanger. Er sprach von einem "verfassungsrechtlich großen Fehler". Die "Corona-Notbremse" sei zu radikal und zu pauschal.

epd co/bm fu