Gebäudesektor verfehlt laut Schätzung deutsche CO2-Minderungsziele

Gebäudesektor verfehlt laut Schätzung deutsche CO2-Minderungsziele
Das Klimaschutzgesetz soll mit Etappenzielen dazu führen, dass weniger Treibhausgase ausgestoßen werden. Laut einem Expertengutachten hat der Gebäudesektor wohl das Minderungsziel verfehlt. Ein Grund ist die Corona-Pandemie.

Berlin (epd). Der Gebäudesektor hat im Coronajahr 2020 einer Schätzung zufolge das deutsche Etappenziel zur Minderung von Treibhausgasen verfehlt. Das geht aus einem am Donnerstag in Berlin vorgestellten Gutachten des unabhängigen Expertenrats für Klimafragen hervor, der die Einhaltung der Regeln des Klimaschutzgesetzes von 2019 jährlich überprüft. Darin heißt es, dass es "unwahrscheinlich" sei, dass der Gebäudesektor im vergangenen Jahr sein Ziel erreicht habe. Beim einstigen Problembereich hingegen, dem Verkehrssektor, sei das Ziel wiederum "sehr wahrscheinlich erreicht" worden. Das Gutachten wurde dem Expertenrat zufolge am Morgen dem Bundesumweltministerium und dem Bundestag übermittelt.

Gemäß dem Klimaschutzgesetz bedeutet das, dass Bauminister Horst Seehofer (CSU) und Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU) innerhalb von drei Monaten nachsteuern und ein Sofortprogramm zur Minderung der Emissionen vorlegen müssen, um beim CO2-Ausstoß wieder auf den vereinbarten Minderungspfad zu gelangen. Jährliche Einsparziele gibt es auch für die Energiewirtschaft, die Landwirtschaft und die Industrie. Hier wurden die Ziele laut Prognose erreicht.

Der Expertenratsvorsitzende Hans-Martin Henning wies darauf hin, dass 2020 auch beim Treibhausgasausstoß wegen der Corona-Pandemie ein besonderes Jahr gewesen sei. So hätte seiner Einschätzung nach der Gebäudesektor in einem normalen Jahr das Etappenziel vermutlich erreicht, während es im Verkehrssektor deutlich überschritten worden wäre.

Minister Seehofer teilte mit Blick auf das Gutachten mit: "Im Gebäudebereich besteht ein erhebliches Einsparpotenzial bei den CO2-Emissionen." Deshalb stelle das Ministerium Milliardenbeträge für die energetische Gebäudesanierung bereit und setze auf klimafreundlichen Neubau. "Obwohl viele unserer bereits ergriffenen Maßnahmen erst jetzt ihre Wirkung entfalten, sind die Emissionen schon deutlich gesunken", fügte er hinzu. Dabei hätten die Menschen wegen der Corona-Maßnahmen so viel wie nie zuvor von zu Hause gearbeitet und dort eben auch geheizt. "Wir sind noch nicht am Ziel, aber die richtigen Weichen sind gestellt."

Die Umweltschutzorganisation WWF Deutschland sprach von "Verfehlungen Deutschlands beim Klimaschutz". Es komme kein Sektor umhin, sich klimafit zu machen, auch wenn laut der Datenlage nur der Gebäudesektor sein Ziel verfehlt habe, erklärte Viviane Raddatz, Leiterin Klimaschutz und Energiepolitik. So hätten Verkehr und Industrie aufgrund der Pandemie unerwartet "Hilfe" bekommen und insbesondere der Verkehrssektor habe dadurch die Ziele erreicht. Die Organisation fordert unter anderem, dass ab sofort keine neuen Ölheizungen mehr eingebaut werden sowie eine zielgerichtete Elektromobilitätsstrategie im Verkehrsbereich und den Ausbau Erneuerbarer Energien.

Die stellvertretende Bundesgeschäftsführerin der Deutschen Umwelthilfe, Barbara Metz, forderte: "An erster Stelle muss das Klimaschutzinstrument CO2-Bepreisung so ausgerichtet werden, dass es auch wirken kann: Die Eigentümerinnen und Eigentümer müssen 100 Prozent der CO2-Preisumlage für unsanierte Gebäude und fossil betriebene Heizungen tragen." Denn nur sie könnten sich für Klimaschutz im Gebäudebereich entscheiden - und nicht die Mieterinnen und Mieter.

Die deutschen Maßnahmen zum Klimaschutz sind an europäische Klimaziele gekoppelt und sollen dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad Celsius zu begrenzen. Da die Europäische Union ihr Klimaziel für das Jahr 2030 von einer CO2-Reduktion um 40 Prozent im Vergleich zu 1990 auf mindestens 55 Prozent anheben will, wird voraussichtlich auch Deutschland einige der Sektorenziele anpassen müssen.