Corona-Hinterbliebener: "Das sind keine Zahlen, das sind Menschen"

Corona-Hinterbliebener: "Das sind keine Zahlen, das sind Menschen"
15.04.2021
epd
epd-Gespräch: Corinna Buschow

Berlin, Koblenz (epd). Am Sonntag findet in Berlin ein staatlicher Gedenkakt für die Verstorbenen in der Corona-Pandemie statt. Eingeladen hat dazu Bundespräsident Frank-Walter Steinmeier. Auch Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU), die Vertreter der anderen Verfassungsorgane und Hinterbliebene werden teilnehmen. Einer von ihnen ist Detlev Jacobs, dessen Mutter im vergangenen Jahr in einem Pflegeheim bei Koblenz mit einer Covid-19-Erkrankung gestorben ist. Er findet es richtig, den Corona-Toten ein Gesicht zu geben. "Das sind keine Zahlen, das sind Menschen", sagte er dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Sie wurden aus dem Leben gerissen - viele in noch viel drastischerer Form als bei meiner Mutter."

Die Gedenkveranstaltung sei für ihn auch eine Form der Trauerbewältigung, sagte Jacobs: "Darüber zu sprechen hilft, damit abzuschließen." Der 53-Jährige wird bei dem Gedenkakt am Sonntag im Berliner Konzerthaus am Gendarmenmarkt selbst sprechen. Vor dem staatlichen Gedenkakt findet in der Kaiser-Wilhelm-Gedächtniskirche ein ökumenischer Gottesdienst zum Gedenken an die in der Pandemie Verstorbenen statt.

Bei beiden Veranstaltungen werden aufgrund der weiter angespannten Infektionslage nur die Staatsspitzen und eine Handvoll Angehörige Verstorbener anwesend sein. Die Veranstaltungen werden im Fernsehen und Radio übertragen. Sie sollen die besondere Härte der Todesfälle der Pandemie verdeutlichen, bei denen Angehörige oftmals nicht persönlich Abschied nehmen konnten, wie es aus dem Bundespräsidialamt hieß.

Auch Detlev Jacobs ging es so. Der Zustand seiner demenzkranken Mutter habe nach der Corona-Infektion zunächst als stabil gegolten, erzählte er. Nach ungefähr einer Woche sei dann aber der Anruf gekommen, "bei dem uns gesagt wurde, wir sollten vorbeikommen, um Abschied zu nehmen", sagte Jacobs. Als er ins Zimmer seiner Mutter kam, war sie bereits tot. "Ich war vielleicht 10 bis 15 Minuten zu spät da", berichtete er.

Einen Vorwurf wegen der Infektion macht er nach eigenen Worten niemandem. "Die Betreuer und die Leitung im Pflegeheim haben alles Mögliche probiert, um Corona fernzuhalten", sagte Jacobs. Einen 100-prozentigen Schutz gebe es nicht. "Die Alternative wäre ein ständiger harter Lockdown gewesen, und da bin ich zwiegespalten", sagte er: "Aufgrund der Demenzerkrankung und der Angst, dass meine Mutter uns ganz vergessen könnte, war es mir lieber, ich schütze mich - und damit meine Mutter - so gut wie möglich, kann sie aber besuchen."