Intensivmediziner: "Jeder Tag zählt"

Intensivmediziner: "Jeder Tag zählt"

Berlin (epd). Deutschlands Intensivmediziner drängen auf einen harten Lockdown, um die dritte Welle der Corona-Infektionen zu brechen. "Jeder Tag zählt", sagte der Präsident der Deutschen Interdisziplinären Vereinigung für Intensiv- und Notfallmedizin (DIVI), Gernot Marx, am Freitag in Berlin. Dass die Bundesländer sich bislang nicht auf ein gemeinsames Vorgehen verständigten, bezeichnete Marx als "sehr enttäuschend". Ohne einen schnellen und harten Lockdown für zwei bis drei Wochen werde es bald Hunderte neuer Intensivpatienten geben.

Die Auswirkungen eines sofortigen Lockdowns machen sich laut Marx ohnehin erst in zehn bis zwölf Tagen bemerkbar. Schon jetzt aber seien die Intensivstationen bis zur Grenze belegt. Die Situation sei "wirklich sehr dramatisch", unterstrich er.

Der wissenschaftliche Leiter des DIVI-Intensivregisters, Christian Karagiannidis, schätzt, dass die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Neuansteckungen der zurückliegenden Woche bezogen auf 100.000 Einwohner angibt, bundesweit real bei 160 bis 170 liegen dürfte. Er berücksichtigte dabei die geringeren Testungen über Ostern sowie Infektionen von Kindern. Zahlen unter anderem aus Österreich von vor Ostern belegten, dass die Covid-Infektionen bei Kindern stark zunehmen.

Karagiannidis zufolge sind bereits jetzt einige Krankenhäuser nicht mehr in der Lage, mehr Covid-Intensivpatienten aufzunehmen. Bei den 1.260 Krankenhäusern mit Intensivstationen seien bundesweit aktuell noch rund 2.100 sogenannte High-Care-Betten frei, viele Kliniken könnten regional aber bereits keine Intensivpatienten mehr aufnehmen. Die noch freien Intensivbetten dürften laut DIVI bei anhaltendem Infektionsgeschehen in zehn Tagen erschöpft sein. Zwar gebe es bundesweit eine Notfallreserve von rund 10.000 Betten. Diese könnten aber nicht in den Intensivstationen und auch nicht mit Intensiv-Pflegepersonal betreut werden.

Zugleich appellierte die DIVI an die Politik, Maßnahmen gegen den dramatischen Mangel an Intensiv-Pflegepersonal zu ergreifen. Es gebe nur wenige Bereiche, wo eine einzelne Pflegekraft einen so großen Unterschied bewirke wie in der Intensivmedizin, sagte Marx.

Am Freitagmorgen meldete das Robert Koch-Institut für die zurückliegenden 24 Stunden 25.464 Corona-Neuinfektionen. Das waren 3.567 mehr als am Freitag vor einer Woche. Die Sieben-Tage-Inzidenz stieg bundesweit damit laut RKI auf 110,4.