Betroffenenbeirat: Kölner Gutachten fehlt moralische Bewertung

Betroffenenbeirat: Kölner Gutachten fehlt moralische Bewertung

Bonn (epd). Für den Betroffenenbeirat der katholischen Deutschen Bischofskonferenz sind die Ereignisse rund um die Veröffentlichung des Kölner Missbrauchsgutachtens nach eigenen Worten "irritierend und schmerzhaft" gewesen. So habe etwa "die mediale Inszenierung" rund um die Vorstellung des Rechtsgutachtens des Kölner Strafrechtlers Björn Gercke die Perspektive der Betroffenen unberücksichtig gelassen, teilte der Betroffenenbeirat in einer am Dienstag veröffentlichten Erklärung mit. Gercke hatte am 18. März Ergebnisse über den Umgang mit Missbrauchsfällen in der Leitung des Erzbistums Köln von 1975 bis 2018 vorgestellt. Mehrere Bischöfe, darunter die ehemaligen Erzbischöfe von Köln, Joachim Meisner und Joseph Höffner, waren darin belastet worden, Missbrauch vertuscht und die Täter geschützt zu haben. Der amtierenden Erzbischof Kardinal Rainer Maria Woelki wurden hingegen keine Pflichtverletzungen nachgewiesen.

Die Untersuchung der Rechtsanwälte habe sich rein auf die juristische Bewertung konzentriert. "Diese Engführung von Aufarbeitung lässt Zweifel an einem kirchlichen Willen zu einer umfassenden und grundlegenden Aufarbeitung aufkommen", heißt es in der Stellungnahme. Im Gutachten würden die juristischen Pflichtverletzungen in ausreichendem Maße in den Blick genommen. "Die systemischen Ursachen wie Sexualmoral, Zölibat, Klerikalismus, Männerbündigkeit oder fehlende Partizipation von Frauen sind aber weitestgehend ausgeblendet oder werden gar nicht betrachtet", kritisierte der Betroffenenbeirat.

"Angesichts des moralischen Selbstanspruchs der katholischen Kirche als 'Moralagentur' und angesichts des Prüfauftrages des Erzbistums Köln, der konsequent auch den kirchlichen Selbstanspruch in den Blick nehmen sollte, ist es für uns nicht einsichtig, dass ethisch-moralische Verfehlungen und Pflichtverletzungen im Gercke-Gutachten nicht bewertet wurden", heißt es in der Stellungnahme weiter. Wenn den betroffenen Menschen Gerechtigkeit widerfahren solle und wenn die Kirche zu einer neuen Glaubwürdigkeit finden wolle, dürfe die moralisch-ethische Ebene nicht unberücksichtigt bleiben, fordern die Betroffenen. Das Gutachten könne nur Teil der Aufarbeitung sein. Es müsse nun weitergehen mit der Aufarbeitung - interdisziplinär und unter Beteilung von Betroffenen.