Missbrauch an Kindern wird künftig härter bestraft

Missbrauch an Kindern wird künftig härter bestraft
Als Reaktion auf die schweren Missbrauchsfälle in den vergangenen Jahren werden die Strafen verschärft. Opposition und Missbrauchsbeauftragter sehen aber die Gefahr, dass die Koalition einen Schritt zu weit geht - zulasten der Betroffenen.

Berlin (epd). Sexueller Missbrauch an Kindern wird künftig grundsätzlich als Verbrechen mit einer Mindeststrafe von einem Jahr Freiheitsentzug geahndet. Der Bundestag beschloss am Donnerstag in Berlin ein Gesetz zur Bekämpfung des sexuellen Missbrauchs. Die Mindeststrafe von einem Jahr gilt auch für den Besitz und die Verbreitung von Bildern und Filmen. Bisher konnten Täter unter Umständen mit Geldstrafen davonkommen. Der Missbrauchsbeauftragte Johannes-Wilhelm Rörig wies auf Schwächen des Gesetzes hin, die die Verfolgung der Taten sogar erschweren könnten.

Nach dem Bekanntwerden mehrerer schwerer Missbrauchsfälle in Nordrhein-Westfalen und im baden-württembergischen Staufen hatte Bundesjustizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf Druck der Union im vorigen Sommer Pläne für die Strafverschärfungen vorgelegt. Dazu zählt auch die Anhebung der Höchststrafen für den Besitz von Bildern und Filmen mit Missbrauchsdarstellungen von drei auf fünf Jahre und von fünf auf zehn Jahre für deren Verbreitung. Durch die Digitalisierung und die Möglichkeiten des Internets hätten sich die Gefahren für Kinder in der realen und der virtuellen Welt deutlich erhöht, hieß es zur Begründung.

Der stellvertretende Unions-Fraktionsvorsitzende Thorsten Frei (CDU) bezeichnete das Gesetz als Antwort auf die Missbrauchsskandale der vergangenen Jahre. Die Erhöhung der Mindeststrafen und die Einstufung der Taten als Verbrechen gebe den Ermittlern mehr Möglichkeiten an die Hand. Verurteilten Tätern werde der Zugang zu Kindern erschwert. Einträge ins Führungszeugnis würden erst nach zehn, zwanzig Jahren oder gar nicht mehr gelöscht, erklärte Frei.

Neben den Koalitionsfraktionen Union und SPD stimmte auch die AfD dem Gesetzentwurf der Koalition zu. Die anderen Oppositionsfraktionen enthielten sich der Stimme. Grüne und FDP hatten beantragt, geringere Strafen für minderschwere Fälle vorzusehen.

Es müsse klargestellt werden, dass küssende Teenager keine Verbrechen begehen, sagte die rechtspolitische Sprecherin der Grünen, Katja Keul, in der abschließenden Debatte. Sie beschrieb eine Schieflage bei den Strafverschärfungen. Der Besitz eines einzigen sexualisierten Nacktfotos werde zum Verbrechen hochgestuft, ohne Ausnahme, selbst für Jugendliche. Keul warf der Koalition vor, nicht auf die Praktiker gehört zu haben. Eine Mehrheit der Sachverständigen hatte in der Anhörung des Bundestags Kritik an den fehlenden Differenzierungsmöglichkeiten bei der Verfolgung der Straftaten geübt.

Wenn schwere Taten aufgedeckt werden sollten, brauche es vor allem mehr Ermittler, sagte Keul. Das hätten die Fahnungserfolge im Missbrauchsfall von Münster gezeigt, nachdem Nordrhein-Westfalen zuvor die Ermittlungskapazitäten vervierfacht habe.

Der Missbrauchsbeauftragte Rörig kritisierte, die Auswirkungen des Gesetzes auf die Strafverfolgung könne sich zulasten der Betroffenen auswirken. Das Grundproblem bei Missbrauch sei die schwierige Beweislage. Wenn auch weniger schwere Taten als Verbrechen verfolgt würden, könne das dazu führen, dass es weniger Geständnisse von Beschuldigten und damit auch weniger Verurteilungen geben werde, gab Rörig zu bedenken.

Das Gesetz sieht außerdem zahlreiche Verbesserungen in Familiengerichtsverfahren vor, die dem Schutz und der Stärkung der Rechte der Kinder dienen sollen. Richter und Verfahrensbeistände müssen Mindestqualifikationen erfüllen. Dieser Teil fand auch bei der Opposition und dem Missbrauchsbeauftragten breite Zustimmung.

Das ursprüngliche Vorhaben, sexuellen Missbrauch im Gesetz künftig als "sexualisierte Gewalt gegen Kinder" zu bezeichnen, wurde nicht umgesetzt. Sachverständige hatten im Laufe der parlamentarischen Beratungen gewarnt, die neue Bezeichnung könne zu dem Missverständnis führen, dass sexuelle Handlungen an Kindern nur strafbar seien, wenn sie mit Gewalt verbunden sind.