Söder, Dreyer und Merkel wollen Corona-Notbremse ziehen

Söder, Dreyer und Merkel wollen Corona-Notbremse ziehen
Ärzte kritisieren Beschlüsse zum Impfen und warnen vor Lockerungen
Im bundesweiten Durchschnitt ist die Inzidenz 100 fast erreicht. Angesichts der starken Zunahme der Corona-Infektionen markieren Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer sowie die Kanzlerin vor den Beratungen am Montag ihre Positionen.

Frankfurt a.M. (epd). Vor den nächsten Bund-Länder-Beratungen zur Eindämmung der Corona-Pandemie am Montag mehren sich die warnenden Stimmen. Der bayerische Ministerpräsident Markus Söder (CSU) sprach sich gegen weitere Lockerungen aus, der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) warnte vor größeren Reisen zum Osterfest, und die rheinland-pfälzische Regierungschefin Malu Dreyer (SPD) mahnte ein konsequentes Schließen ab einer Inzidenz von 100 an. Unterdessen ernteten die Beschlüsse zum Impfen in Arztpraxen Kritik bei den niedergelassenen Ärzten.

Der bayerische Ministerpräsident Söder sagte der "Frankfurter Allgemeinen Sonntagszeitung": "Weitere Öffnungen ergeben angesichts der erneut steigenden Infektionen keinen Sinn. Die Notbremse muss für alle gelten. Und zwar konsequent." Dreyer warb in der "Neuen Osnabrücker Zeitung" (Samstag) für regionale Regelungen. In Modellkommunen oder Landkreisen mit einer Inzidenz unter 100, die ein lückenloses Test- und Kontakterfassungssystem vorweisen können, sollten Außengastronomie, Kultur und Einzelhandel für Kunden mit einem tagesaktuellen Corona-Test öffnen können. Zudem will Dreyer am Stufenplan für Öffnungen festhalten, den Bund und Länder am 3. März beschlossen hatten. Bedingung sei aber das Einhalten der vereinbarten Notbremse, die ab einer Inzidenz von 100 wieder konsequentes Schließen vorsieht. Die Notbremse sei "zwingendes Element des Plans genauso wie das Testen und Impfen".

Der saarländische Ministerpräsident Tobias Hans (CDU) sagte dem "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Samstag): "Wir können über Ostern nicht in den Urlaub fahren oder im großen Stil mit der Familie zusammenkommen." Die Vorsitzende des Ärzteverbandes Marburger Bund, Susanne Johna, warnte eindringlich vor Lockerungen. "Ich rechne ab Ostern mit einer noch kritischeren Lage als zum Jahreswechsel", sagte sie der "Neuen Osnabrücker Zeitung". Es müsse definitiv die Notbremse gezogen werden, da dürfe es keine Ausnahmen geben.

Am Samstagmorgen hatte das Robert Koch-Institut (RKI) 16.033 Neuinfektionen mit dem Coronavirus binnen 24 Stunden gemeldet. Bundesweit stieg die Sieben-Tage-Inzidenz, die die Zahl der Neuansteckungen innerhalb einer Woche bezogen auf 100.000 Einwohner angibt, auf 99,9 - bei starken regionalen Unterschieden. Die Zahl der Todesfälle im Zusammenhang mit dem Coronavirus erhöhte sich um 207 auf 74.565.

Am Montag kommen Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) und die Regierungschefinnen und -chefs der Bundesländer erneut zusammen, um über die Maßnahmen zu beraten. Merkel sagte am Freitagabend in Berlin: "Wir werden leider auch von der Notbremse Gebrauch machen müssen." Sie hätte sich gewünscht, ohne das Instrument auszukommen. "Aber das wird nicht möglich sein, wenn ich mir die Entwicklung der letzten Tage anschaue", sagte Merkel.

Der Bund-Länder-Beschluss vom Freitag, demzufolge nach Ostern auch in Arztpraxen gegen Corona geimpft werden soll, geht aus Sicht von Medizinern nicht weit genug. Der Bundesvorsitzende des Deutschen Hausärzteverbandes, Ulrich Weigeldt, sagte der "Bild"-Zeitung (Samstag): "Wir könnten direkt loslegen." Die Praxen dürften nicht zur Resterampe werden, wenn bei den Impfzentren was übrig ist. Der Chef der Kassenärztlichen Bundesvereinigung, Andreas Gassen, sagte dem Wirtschaftsmagazin "Business Insider": "An der grundlegenden Situation ändert der Beschluss nichts. Wir impfen weiter in Slow Motion."

Die Impfbereitschaft wächst einer Umfrage zufolge mit der Dauer der Pandemie. 72 Prozent der Menschen in Deutschland seien aktuell bereit, sich gegen Covid-19 impfen zu lassen, berichten die Zeitungen der Funke Mediengruppe (Samstag) unter Berufung auf eine repräsentative Nielsen-Umfrage im Auftrag des Bundesverbandes der Arzneimittel-Hersteller. Im vergangenen Juni seien es nur 66 Prozent gewesen. Zwölf Prozent schlössen eine Corona-Impfung für sich aus. Für die Umfrage wurden im Februar rund 1.000 Erwachsene befragt.

epd lnb/kfr