Corona, Kohleausstieg und CO2-Preis: Deutschland übertrifft Klimaziel

Corona, Kohleausstieg und CO2-Preis: Deutschland übertrifft Klimaziel
Durch die Lockdowns in der Corona-Pandemie hat Deutschland die Klimaziele für 2020 doch noch erreicht. Die Anforderungen für die nächsten zehn Jahre werden aber höher sein.

Berlin (epd). Deutschland hat im Corona-Jahr 2020 die klimaschädlichen Treibhausgase deutlich reduziert und damit das selbstgesteckte Klimaziel übertroffen. Wie Bundesumweltministerin Svenja Schulze (SPD) bei der Vorstellung der deutschen Klimabilanz für das vergangene Jahr am Dienstag in Berlin sagte, gingen die CO2-Emissionen gegenüber 1990 um knapp 41 Prozent zurück. Dies sei der größte jährliche Rückgang seit der deutschen Einheit. Vor der Pandemie war die Regierung nicht davon ausgegangen, dass das 40-Prozent-Ziel für 2020 erreicht werden kann. Die Maßnahmen zum Klimaschutz sollen dazu beitragen, die Erderwärmung auf 1,5 Grad zu begrenzen.

Schulze betonte, dass es auch einen Corona-Effekt gegeben habe. Darüber hinaus machten sich ihren Angaben nach aber auch strukturelle Veränderungen bemerkbar, beispielsweise der Kohleausstieg, der Ausbau Erneuerbarer Energien sowie höhere CO2-Preise im europäischen Emissionshandel. Laut dem Präsidenten des Umweltbundesamtes, Dirk Messner, kann etwa ein Drittel der Reduktion des Treibhausgasausstoßes auf die Einschränkungen der Corona-Pandemie zurückgeführt werden: So sei der Stromverbrauch zurückgegangen, ebenso wie der Straßen- und Flugverkehr. Ohne die Pandemie mit ihren Beschränkungen wäre seinen Worten nach das 40-Prozent-Ziel knapp verfehlt worden.

Insgesamt wurden in Deutschland im vergangenen Jahr laut den vorläufigen Daten des Bundesumweltamtes rund 739 Millionen Tonnen Treibhausgase freigesetzt, rund 70 Millionen Tonnen oder 8,7 Prozent weniger als 2019. Lediglich im Gebäudesektor wurde das Etappenziel knapp mit zwei Millionen Tonnen verfehlt. Hier muss Bundesbauminister Horst Seehofer (CSU) gemeinsam mit dem Wirtschaftsministerium ein Sofortprogramm zur Minderung der Emissionen vorlegen.

Schulze wies darauf hin, dass es dank dem 2019 beschlossenen Klimaschutzgesetz in Deutschland "mehrere Klimaschutzministerinnen und -Minister" im Bundeskabinett gebe. Mit dem Gesetz wurden die deutschen Klimaziele verbindlich gemacht, und ein unabhängiger Expertenrat überprüft die CO2-Minderung jährlich. Laut Schulze will das Gremium am 15. April eine Stellungnahme vorlegen. Dann müssen Ministerien, die das Etappenziel für ihren Sektor verfehlt haben, innerhalb von drei Monaten nachsteuern. Einsparziele gibt es für die Sektoren Verkehr, Energiewirtschaft, Gebäude, Landwirtschaft und Industrie.

Die Umweltministerin betonte, dass Deutschland sein Klimaziel für 2020 geschafft habe, sei kein Grund zum Ausruhen. Das geplante Ausbautempo für Wind- und Sonnenstrom in diesem Jahrzehnt müsse verdoppelt werden, forderte sie mit Blick auf das Ziel, bis 2030 mindestens 55 Prozent weniger Treibhausgase auszustoßen als 1990. Aktuell betrage der Erneuerbare-Energien-Anteil am Bruttostromverbrauch in Deutschland 45 Prozent. Messner sprach sich für einen Ausstieg aus dem Verbrennungsmotor bis spätestens 2030 aus. Die Emissionen würden besonders im Verkehrssektor wieder steigen, wenn nach der Pandemie die Wirtschaft anspringe.

Mehr als 85 Verbände, Organisationen und Kirchen forderten in einem gemeinsamen Appell, dass das deutsche Klimaziel noch vor der Sommerpause des Bundestags auf mindestens 70 Prozent Treibhausgasreduktion gegenüber 1990 bis 2030 angehoben wird. In dem Aufruf, der unter anderem vom Bund für Umwelt und Naturschutz Deutschland (BUND) und dem evangelischen Hilfswerk "Brot für die Welt" unterzeichnet wurde, heißt es, dass das deutsche Klimaschutzgesetz und das darin verankerte Reduktionsziel für das Jahr 2030 von minus 55 Prozent veraltet seien: "Deutschland leistet mit den gegenwärtigen Klimaschutzzielen keinen fairen Beitrag zur Bewältigung der weltweiten Klimakrise, die zunehmend Armut, Hunger und Ungerechtigkeit insbesondere im Globalen Süden verschärft."