Missbrauchsopfer: Kirche vertuscht und verschweigt noch immer

Missbrauchsopfer: Kirche vertuscht und verschweigt noch immer
08.03.2021
epd
epd-Gespräch: Martina Schwager

Osnabrück (epd). Max Ciolek (61), der selbst als Kind und Jugendlicher über acht Jahre von einem katholischen Priester missbraucht wurde, wirft der Kirche eine verschleiernde und unehrliche Aufarbeitung der Missbrauchsfälle vor. "Der institutionelle Schutz ist ihr immer noch wichtiger als Empathie mit den Opfern", sagte Ciolek im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd). Das betreffe die katholische wie die evangelische Kirche. "Immer noch wird viel zu viel verschwiegen, vertuscht, möglichst nicht an die Öffentlichkeit gegeben", betonte er. Ciolek gehört seit Juni 2020 dem Betroffenenrat beim Unabhängigen Beauftragten für Fragen des sexuellen Kindesmissbrauchs, Johannes-Wilhelm Rörig, an.

Vor anderthalb Jahren machte der in Osnabrück lebende Oratoriensänger und Grafik-Designer seinen Missbrauch öffentlich. Der Täter war ein enger Freund der Familie, die damals in Dortmund lebte. Er verging sich an dem Jungen und später Pubertierenden im Kinderzimmer, auf Ausflügen und in der eigenen Wohnung. Erst mit Mitte 30 sei ihm selbst bewusstgeworden, dass das, was er erlebt hatte, als schwerer sexueller Missbrauch einzustufen ist, sagte Ciolek.

Ihn störe, dass jedes Bistum bei der Aufarbeitung von Missbrauchsfällen einen eigenen Weg verfolge, sagte der 61-Jährige. "Es machen alle irgendwie etwas, weil sie den Druck der Öffentlichkeit spüren." Und nur mit diesem Druck bewege sich überhaupt irgendetwas: "Man hat den Eindruck, wenn sie irgendwie können, versuchen sie immer, auf die Bremse zu treten."

Als schlechtes Beispiel nannte Ciolek das katholische Erzbistum Berlin: "In Berlin wird ein 600-seitiges Gutachten veröffentlicht, wovon 440 Seiten niemand lesen darf außer einer Kommission, in der fast nur Kirchenvertreter sitzen. Das geht einfach nicht."

Durch Gespräche und Therapien habe er selbst das Thema für sich verarbeitet, sagte Ciolek. Heute sei er so stark, dass er in der Prävention arbeiten könne, damit Kinder heute besser geschützt würden. Er kämpfe auch mit dem Betroffenenrat dafür, das Thema aus der Tabu-Ecke zu holen. "Wir müssen anfangen, in einer sehr sachlichen und achtsamen Art darüber zu sprechen." Jedes Schweigen spiele den Tätern in die Karten. "Wir wollen versuchen, den Menschen Handwerkszeug dafür an die Hand zu geben, dass sie lernen: Wie kann ich mit einem Kind darüber ins Gespräch gehen? Was macht man, wenn man Missbrauch vermutet?"