Kabinett bringt Lieferkettengesetz auf den Weg

Kabinett bringt Lieferkettengesetz auf den Weg
Kirchen und Hilfsorganisationen kritisieren Entwurf
Bislang ist es kaum möglich, deutsche Unternehmen in die Verantwortung zu nehmen, wenn sie nicht auf die Einhaltung von Menschenrechten in ihren Lieferketten achten. Ein neues Gesetz soll das ändern. Hilfsorganisationen geht es nicht weit genug.

Berlin (epd). Nach monatelangem Streit hat das Bundeskabinett ein Lieferkettengesetz auf den Weg gebracht. Die Ministerrunde billigte den Entwurf, der noch vom Bundestag beschlossen werden muss, am Mittwoch in Berlin. Das Regelwerk "über die unternehmerischen Sorgfaltspflichten in Lieferketten" soll große deutsche Firmen in die Pflicht nehmen, auch bei ihren ausländischen Zulieferern auf die Einhaltung von Menschenrechten und auf Umweltschutzkriterien zu achten. Tun sie das nicht, drohen Zwangs- und Bußgelder.

Unternehmen, die Ausbeutung billigend in Kauf nehmen, können zudem bis zu drei Jahre von öffentlichen Ausschreibungen ausgeschlossen werden. In Kraft tritt es den Plänen zufolge in zwei Schritten: ab 2023 soll es für die etwa 600 großen Firmen mit mehr als 3.000 Beschäftigten gelten, ab 2024 für insgesamt knapp 3.000 Unternehmen mit mehr als 1.000 Beschäftigten.

Über den Entwurf war in der Regierung massiv gerungen worden. Arbeitsminister Hubertus Heil (SPD) und Entwicklungsminister Gerd Müller (CSU) wollten unter anderem Betriebe ab 500 Beschäftigten verpflichten, dagegen wehrte sich aber Wirtschaftsminister Peter Altmaier (CDU).

Der von mehr als hundert Organisationen unterstützten "Initiative Lieferkettengesetz" geht der Gesetzentwurf nicht weit genug. Sprecher Johannes Heeg rief die Bundestagsabgeordneten auf, Nachbesserungen einzufordern. Er betonte: "Ziel eines Lieferkettengesetzes muss es sein, Menschenrechtsverletzungen und Umweltzerstörung zu verhindern, bevor sie eintreten - und zwar nicht nur bei direkten Zulieferern, sondern entlang der gesamten Lieferkette. Der Gesetzentwurf der Bundesregierung verfehlt dieses Ziel."

Die Initiative kritisierte insbesondere, dass die Sorgfaltspflichten in vollem Umfang nur für den eigenen Geschäftsbereich und die direkten Zulieferer gelten. Bei mittelbaren Zulieferern wiederum müsse ein Unternehmen erst aktiv werden, wenn es durch Tatsachen belegte Kenntnis von einer möglichen Menschenrechtsverletzung erlangt habe. Das widerspreche den Leitprinzipien der Vereinten Nationen zu dem Thema.

Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel erklärte: "Ob auf den Tee- und Kakao-Plantagen oder in den Bergbau-Minen und Textilfabriken: Die meisten Menschenrechtsverletzungen finden am Beginn der Lieferketten statt." Hier müsse das Gesetz wirken, indem es Unternehmen dazu verpflichte, auch ohne Hinweise von außen die Risiken zu analysieren.

Die Initiative kritisierte darüber hinaus, dass der Entwurf keine zivilrechtliche Haftungsregelung enthalte - anders als das französische Sorgfaltspflichtengesetz. Dazu erklärte Miriam Saage-Maaß vom Europäischen Zentrum für Verfassungs- und Menschenrechte (ECCHR): "Ohne zivilrechtliche Haftungsregel bleiben Betroffene von Menschenrechtsverletzungen durch deutsche Unternehmen weiterhin so gut wie chancenlos vor Gericht. Zugang zu Recht und Entschädigungen für Betroffene müssen zentraler Bestandteil eines wirksamen Lieferkettengesetzes sein."

Der geschäftsführende Vorstand von Greenpeace Deutschland, Martin Kaiser, wies wiederum darauf hin, dass Umweltschäden "nur marginal" berücksichtigt sei. Die Zerstörung von Artenvielfalt oder die Schädigung des Klimas werde nicht sanktioniert.

Dagegen warnen Wirtschaftsverbände vor einem "Bürokratiemonster". Der Hauptgeschäftsführer des Gesamtverbandes der deutschen Textil- und Modeindustrie, Uwe Mazura, kritisierte "unbestimmte Rechtsbegriffe und die Weitergabe der Pflichten innerhalb der industriellen Wertschöpfungsketten".

Befürworter wie Gegner beklagten eine zu kurze Rückmeldefrist: So habe es seitens der Regierung für die Einreichung einer Stellungnahme nur ein Zeitfenster von wenigen Stunden gegeben.