Beratungsstelle: Häusliche Pflege in Corona-Zeiten angespannt

Beratungsstelle: Häusliche Pflege in Corona-Zeiten angespannt
01.03.2021
epd
epd-Gespräch: Christine Xuân Müller

Berlin (epd). In der Covid-19-Pandemie hat sich die häusliche Pflege drastisch verändert. Durch die coronabedingten Einschränkungen seien mit dem Wegfall von Unterstützungsangeboten wie Tagespflege oder Kurzzeitpflege pflegende Angehörige "plötzlich ganz auf sich alleine gestellt" gewesen, "und die meisten sind es immer noch", sagte die Leiterin der Berliner Beratungs- und Beschwerdestelle "Pflege in Not", Gabriele Tammen-Parr, dem Evangelischen Pressedienst (epd). In Deutschland werden den Angaben zufolge drei Viertel der rund 4,8 Millionen Pflegebedürftigen nicht in Heimen, sondern zu Hause betreut - die meisten von ihnen alleine durch Angehörige, ohne Unterstützung durch einen Pflegedienst.

In der Corona-Pandemie hätten in der häuslichen Pflege durch die räumlichen Nähe Wut und Aggressionen zugenommen, berichtet die Leiterin der Berliner Beratungsstelle, die zur Diakonie-Stadtmitte gehört. Neben psychischer Gewalt komme es mitunter auch zu körperlicher Gewalt. "Oft liegen die Nerven einfach blank", sagte Tammen-Parr.

Die Anzahl der telefonisch Ratsuchenden habe sich bei der Beratungsstelle "Pflege in Not" in der Pandemie verdreifacht. "Verzweifelte Angehörige berichteten, dass die Überforderung extrem zugenommen hat. Die Abhängigkeit ist nochmal sehr viel stärker geworden. Die körperliche und emotionale Nähe hat sich nochmal verdichtet. Die Betroffenen sind völlig reduziert auf die gemeinsame Beziehung. Und natürlich haben sich Aggressionen und Konflikte entwickelt, das war zu erwarten", so Tammen-Parr. Die Folge sei, dass pflegende Angehörige "jetzt total erschöpft" seien. Die aktuelle Stimmung beschrieb sie mit den Worten "Aushalten und Durchhalten".

Positiv bewertete Tammen-Parr, dass etwa in Berlin bei einer Corona-Impfung von Pflegebedürftigen nun auch die pflegenden Angehörigen gleich mitgeimpft werden. "Die neue Impfverordnung sieht vor, dass unter bestimmten Voraussetzungen Pflegebedürftige und ein bis zwei enge Kontaktpersonen Anspruch auf eine Impfung haben", betonte Tammen-Parr. Das sei eine erfreuliche Entwicklung.

Für eine Entspannung in der häuslichen Pflege würde es zudem helfen, "wenn die Unterstützungsangebote für die Pflegebedürftigen und ihre pflegenden Angehörigen wieder zur Verfügung stehen", sagte Tammen-Parr weiter. Natürlich müsse man genau abwägen, was unter welchen Bedingungen wieder aufgemacht wird: "In Berlin sind zum Beispiel die Bewohner der Pflegeheime inzwischen alle durchgeimpft. Der Großteil der Pflegekräfte dort wurde ebenfalls zu rund 65 bis 70 Prozent geimpft. Dadurch kann auch wieder vorsichtig Begegnung und Nähe hergestellt werden." Wenn auch die Besucher der Tagespflegen, deren Angehörige und das Personal vor Ort geimpft seien, "wäre das ein riesiger Schritt, um weitere Öffnungen vorzubereiten".