Justiz: Arzt hätte Sterbehilfe-Vorwürfe besser prüfen müssen

Justiz: Arzt hätte Sterbehilfe-Vorwürfe besser prüfen müssen

Brüssel, Straßburg (epd). Der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) hat die Klage eines deutschen Arztes abgewiesen, der wegen angeblicher Sterbehilfe-Fälle in einem Liechtensteiner Krankenhaus die Staatsanwaltschaft verständigt hatte und deshalb entlassen worden war. Das von dem Mann ins Feld geführte Recht auf Meinungsfreiheit sei nicht unzulässig verletzt worden, erklärte der Straßburger EGMR am Dienstag. Denn der Mediziner habe seine später als falsch erwiesenen Angaben, die Folgen für den Ruf des Krankenhauses und seiner Kollegen hatten, nicht genügend geprüft. (AZ: 23922/19)

Der Arzt aus Kassel war laut EGMR von Mitte 2013 an als stellvertretender Chefarzt für Innere Medizin in der Klinik in Liechtenstein beschäftigt und geriet dort an Informationen über vier Todesfälle nach der Verabreichung von Morphinen durch einen Kollegen oder eine Kollegin, wie der EGMR mitteilte. Der Arzt vermutete aktive Sterbehilfe und wandte sich im September 2014 an die Staatsanwaltschaft. Diese ermittelte unter anderem wegen des Verdachts der Tötung auf Verlangen und der Beihilfe zum Suizid. Liechtensteiner Zeitungen und Radio berichteten laut Gericht mehrfach über die Untersuchungen, die später eingestellt wurden. Der Deutsche wurde einige Wochen nach seiner Anzeige entlassen, da er sich nicht an die internen Beschwerdewege des Krankenhauses gehalten habe.

Der EGMR urteilte nun, dass der Arzt zwar aus ehrenhaften Motiven gehandelt habe. Der EGMR ging auch nicht davon aus, dass er unbedingt interne Beschwerdewege hätte beschreiten müssen. Er befand aber, dass der Mediziner seine Informationen angesichts der Schwere der Anschuldigung besser hätte prüfen müssen. Der Eingriff in seine Meinungsfreiheit durch die Kündigung sei daher verhältnismäßig.