Rörig: Kampf gegen Missbrauch braucht volle politische Rückendeckung

Rörig: Kampf gegen Missbrauch braucht volle politische Rückendeckung
14.02.2021
epd
epd-Gespräch: Corinna Buschow und Bettina Markmeyer

Berlin (epd). Der unabhängige Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, fordert von der Politik mehr Unterstützung. Rörig sagte im Gespräch mit dem Evangelischen Pressedienst (epd), die Politik mache sich den Kampf gegen sexuellen Missbrauch als vorrangiges Thema bis heute nicht zu eigen: "Die Bekämpfung sexueller Gewalt braucht aber volle politische Rückendeckung", betonte der Missbrauchsbeauftragte.

Insbesondere in den Bundesländern müsse mehr passieren, erklärte Rörig: "Es irritiert mich immer wieder, dass oft nur dann reagiert wird, wenn es Skandalfälle gibt." Die Länder hätten aber mit ihren Zuständigkeiten für Polizei, Justiz, Jugend, Bildung und Gesundheit im Kampf gegen Missbrauch "den goldenen Schlüssel in der Hand".

Nach rund zehn Jahren im Amt will sich Rörig zum Ende der Legislaturperiode von der Aufgabe als Missbrauchsbeauftragter zurückziehen. Als zentrale Voraussetzungen für eine erfolgreiche Fortführung der Arbeit nannte Rörig eine enge und dauerhafte Kooperation mit den Bundesländern, die Berufung von Landesmissbrauchsbeauftragten sowie eine gesetzliche Verankerung des Amtes auf Bundesebene. "Das Amt braucht eine Aufwertung und ein stärkeres Fundament, gesetzlich zugewiesene Aufgaben und eine durch ein Gesetz gesicherte Unabhängigkeit."

Auf Bundesebene sei es in den vergangenen zehn Jahren gelungen, dass das Thema Missbrauch nicht mehr beiseitegeschoben werden könne: "Das war nicht einfach", sagte Rörig. "Die Politik will mit dem Thema möglichst wenig zu tun haben. Sie reagiert zwar auf Skandale wie in Staufen oder Lügde - ein breites, dauerhaftes Engagement gegen Missbrauch ist aber alles andere als selbstverständlich."

Es sei auch gelungen, in dem "schwierigen Spagat" zwischen Betroffenen-Interessen und der Handlungsbereitschaft bei Politik und der Kirchen Fortschritte zu erzielen. Doch könne er gut verstehen, dass es den Betroffenen zu langsam und nicht konsequent genug vorangehe, sagte Rörig. Er selbst sehe sich in seinem Amt in einer Mittlerrolle: "Mich treibt der Wunsch an, Leid zu verhindern und Leid zu lindern und ich will, dass diejenigen, die Leid verhindern und lindern können, das maximal Mögliche tun", erklärte Rörig.

Die politischen Parteien seien beim Thema sexuelle Gewalt sehr unterschiedlich aufgestellt, urteilte Rörig. In Hinblick auf die Landtagswahlen in Baden-Württemberg und Rheinland-Pfalz im März bescheinigte er den Grünen "recht weit" zu sein, zeigte sich aber enttäuscht von der SPD in Berlin, wo am 26. September, dem Tag der Bundestagswahl gewählt wird: "Wirklich überrascht bin ich, dass im Entwurf der Berliner SPD bisher gar nichts zum Kampf gegen sexuellen Missbrauch steht." Er habe gerade dort, wo Bundesfamilienministerin Franziska Giffey SPD-Spitzenkandidatin sei, "eine hohe Erwartung", sagte Rörig: "Aber es kann ja noch nachgebessert werden und ich unterstütze gerne."

epd bm/co jup