Prozess zum Angriff auf jüdischen Studenten ohne Öffentlichkeit

Prozess zum Angriff auf jüdischen Studenten ohne Öffentlichkeit
Im vergangenen Herbst wurde in Hamburg ein Mann vor einer Synagoge angegriffen und lebensgefährlich verletzt. Die Generalstaatsanwaltschaft sieht kein antisemitisches Motiv und will den mutmaßlichen Täter in einer Psychiatrie unterbringen.

Hamburg (epd). Am Hamburger Landgericht hat am Freitag der Prozess gegen einen Mann begonnen, der im vergangenen Oktober einen 26-jährigen jüdischen Studenten vor der Hamburger Synagoge niedergeschlagen haben soll. Zu Beginn der Hauptverhandlung wurde die Öffentlichkeit ausgeschlossen. Lediglich eine Vertretung der Jüdischen Gemeinde Hamburg werde zur Prozessbeobachtung zugelassen, teilte die Gerichtspressestelle mit.

Der Angeklagte leidet nach Angaben der Generalstaatsanwaltschaft unter einer paranoiden Schizophrenie und wahnhaften Verfolgungsängsten und sei deshalb möglicherweise schuldunfähig. Sie will deshalb beantragen, ihn dauerhaft in einem psychiatrischen Krankenhaus unterbringen zu lassen. Der Prozess ist vorerst terminiert bis Ende März. Eine Kundgebung gegen Antisemitismus begleitete den Verhandlungsbeginn.

Die Generalstaatsanwaltschaft wirft dem Deutschen mit kasachischen Wurzeln versuchten Mord in Tateinheit mit gefährlicher Körperverletzung vor. Der 29-jährige Mann soll den jüdischen Studenten am 4. Oktober 2020 vor der Synagoge mit einem Kurzspaten lebensgefährlich verletzt haben. Eine rechtsextremistische oder antisemitische Weltanschauung hat nach Einschätzung der Generalstaatsanwaltschaft bei der Tat offenbar keine entscheidende Rolle gespielt. Die krankheitsbedingten Wahnvorstellungen des Mannes richteten sich zwar vor allem gegen jüdische Einrichtungen und Personen. Bedroht gefühlt habe er sich aber unter anderem auch durch das Christentum.

Rund 50 Menschen protestierten vor dem Landgericht dagegen, dass die Generalstaatsanwaltschaft Antisemitismus nicht als Tatmotiv anführt. Damit beteilige sie sich an der "Normalisierung des rechten Terrors", erklärte ein Vertreter der Initiative "Sous la Plage", die zu der Kundgebung aufgerufen hatte. Bei rechtsterroristischen Anschlägen werde häufig die Biografie der Täter nach Anzeichen für psychische Krankheiten durchleuchtet, sagte die Mitorganisatorin Anne Blücher. Dadurch werde das politische Motiv der Taten ausgeblendet.

Das aufgemalte Hakenkreuz, das in der Hosentasche des Beschuldigten gefunden wurde, ändert nach Aussage der Generalstaatsanwaltschaft nichts an ihrer Einschätzung. Dem Beschuldigten sei aus seinem privaten Umfeld wohlmeinend geraten worden, sich gegen die von ihm wahrgenommenen Dämonen mit einer solchen Zeichnung zu schützen. Dabei sollte das Hakenkreuz in seiner ursprünglichen Bedeutung als Symbol des Lichts und der Sonne Schutz bieten. Die Ermittlungen hätten nicht ergeben, dass der Beschuldigte vor seiner psychiatrischen Erkrankung antisemitisches oder rechtsextremistisches Gedankengut vertreten habe. Vollständig ausgeschlossen werden könne dies zurzeit jedoch nicht.

Der Beschuldigte war laut Medienberichten 2016 bei der Bundeswehr beschäftigt gewesen. Er trug während der Tat eine Tarnuniform der Bundeswehr. Nach seiner Bundeswehrzeit lebte er in Berlin in einer Unterkunft für wohnungslose Männer. Im November 2019 hatte die Einrichtung den sozialpsychiatrischen Dienst eingeschaltet, so dass er in ein Krankenhaus eingeliefert wurde. Er hatte zuletzt zwar eine Meldeanschrift in Berlin, wohnte aber in einer Einrichtung in Hamburg-Langenhorn.