Sterbewillige dürfen nicht einfach tödliche Medizin kaufen

Sterbewillige dürfen nicht einfach tödliche Medizin kaufen
Verfassungsgericht weist Beschwerde von Eheleuten ab
Ein Jahr nach dem Sterbehilfe-Urteil des Bundesverfassungsgerichts legt das oberste deutsche Gericht Wert darauf, angesichts zu erwartender Gesetzgebung keine weiteren Vorgaben zu machen. Es verweist auf die Fachgerichte.

Karlsruhe (epd). In der politischen Debatte um eine Neuregelung der Sterbehilfe vermeidet das Bundesverfassungsgericht weitere Vorgaben für den Gesetzgeber. Die Karlsruher Richter wiesen am Freitag eine Verfassungsbeschwerde als unzulässig zurück, mit der ein Ehepaar für sich das Recht erstreiten wollte, ein tödliches Arzneimittel kaufen zu dürfen. Sie verwiesen das Paar auf den Rechtsweg bei Fachgerichten und erklärten rund ein Jahr nach ihrer Entscheidung zum Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben, dass sie mit einem Urteil in dieser Sache politische Entscheidungen nicht vorwegnehmen wollen (AZ: 1 BvR 1837/19).

Am 26. Februar 2020 hatte das Verfassungsgericht geurteilt, dass Menschen ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben haben (AZ: 2 BvR 2347/15 und weitere). Der zweite Senat erklärte das strafbewehrte Verbot der geschäftsmäßigen Förderung der Selbsttötung für nichtig. Damit wurde eine 2015 vom Bundestag beschlossene Regelung gekippt. Seit Ende Januar liegen zwei Gesetzentwürfe verschiedener Gruppen von Bundestagsabgeordneten zur Neuregelung vor, die jeweils in unterschiedlichem Maße eine Beratungspflicht vorsehen, bevor Sterbewilligen Hilfe beim Suizid geleistet werden darf. Das Bundesverfassungsgericht erklärte am Freitag, man wolle den "politischen Gestaltungsspielraum bei der Erarbeitung eines übergreifenden legislativen Schutzkonzepts" nicht einschränken.

In der Sache befand das Gericht, zwar hätten die Eheleute ein Recht auf ein selbstbestimmtes Sterben, müssten aber hierfür aktiv nach helfenden Menschen suchen, sich um eine ärztliche Verschreibung bemühen oder auf anderem Weg ihr Recht konkret verfolgen. Seien sie der Auffassung, dass dies aussichtslos ist, müssten sie zunächst Rechtsschutz bei den Fachgerichten suchen.

Konkret ging es um 1937 und 1944 geborene Eheleute, die zwar nicht schwer krank sind, aber nach ihren Angaben das Nachlassen ihrer geistigen und körperlichen Kräfte merken. Um sich und ihren Angehörigen einen jahrelangen Verfall und qualvollen Tod zu ersparen, beantragten sie beim Bundesinstitut für Arzneimittel und Medizinprodukte, eine tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital kaufen zu können. Sie wollten selbstbestimmt gemeinsam sterben können.

Das Bundesverwaltungsgericht in Leipzig lehnte dies im Mai 2019 ab (AZ: 3 C 6.17). Bürger hätten nach den gesetzlichen Bestimmungen keinen generellen Anspruch auf Zugang zu Medikamenten für eine schmerzlose Selbsttötung, entschieden die Leipziger Richter. Ausnahmen könne es allenfalls bei schweren unheilbaren Erkrankungen geben. Nach dem späteren Urteil des Verfassungsgerichts jedoch argumentierte das Ehepaar, nun müssten sie die tödliche Dosis Natrium-Pentobarbital auch selbst kaufen können. Denn faktisch sei es in Deutschland ausgeschlossen, dass sie einen verschreibungswilligen Arzt oder Suizidhelfer finden.

Die Verfassungsrichter entschieden, dass zumindest unter strafrechtlichem Blickwinkel solche Suizidbeihilfe-Leistungen durchaus nun angeboten werden können. Es sei den Klägern daher zuzumuten, zunächst aktiv nach suizidhilfebereiten Personen im Inland zu suchen, sich um eine ärztliche Verschreibung des gewünschten Wirkstoffs zu bemühen, oder dass sie "auf anderem geeigneten Weg ihr anerkanntes Recht konkret" verfolgen. Wenn sich dies als aussichtslos erweise, müssten sie sich zunächst an Fachgerichte werde. Denn nur so könne geklärt werden, "welche konkreten Gestaltungsmöglichkeiten und tatsächlichen Räume die nunmehr geltende Rechtslage bietet".

epd fle/kfr fu