Missbrauch: Psychiater Lütz rügt Zusammensetzung von Kommission

Missbrauch: Psychiater Lütz rügt Zusammensetzung von Kommission

Freiburg/Berlin (epd). Der Psychiater und Psychotherapeut Manfred Lütz hat die Zusammensetzung der von der katholischen Kirche neu geschaffenen "Unabhängigen Kommission für Anerkennungsleitungen" (UKA) kritisiert. Es fehle völlig an "aussagepsychologischer Expertise", heißt es in einem Beitrag von Lütz in der Fachzeitschrift "Herder Korrespondenz" (Februar). Das bedeute, das Gremium könne "die Wahrhaftigkeit einer Beschuldigung bei Zweifeln" wissenschaftlich nicht überprüfen. Damit setze sich "eine verhängnisvolle Entwicklung weg von der Wissenschaft" fort.

"Um es klar zu sagen: Im Raum der Kirche ist Betroffenen von sexueller Gewalt viel zu lange nicht geglaubt worden. Das war falsch, mitunter traumatisch und deswegen ist es so wichtig, Gespräche mit Beschuldigern in einer Atmosphäre der Akzeptanz zu führen", fügte Lütz hinzu. Angesichts der Tatsache, dass ein Missbrauchsverdacht heute in vielen Fällen zum sozialen Tod des Beschuldigten führe, sei allerdings äußerste Sorgfalt bei der Tatsachenerhebung erforderlich. Lütz: "Doch daran fehlt es oft im Bereich der katholischen Kirche in Deutschland."

Bei mehreren aktuellen spektakulären Fällen erscheine es "höchst zweifelhaft, dass die berichteten Erlebnisse tatsächlich ereignisbasiert sind", so Lütz weiter. Das heiße allerdings nicht, "dass die Beschuldiger lügen! Scheinerinnerungen, die nicht selten in unprofessionellen Traumatherapien 'produziert' werden, sind für die Patienten subjektiv 'wahr'". Wenn es bei der Zusammensetzung der UKA bliebe, wäre laut Lütz Priester der einzige Beruf in Deutschland, "bei dem man nicht nur im Leben, sondern sogar noch nach dem Tod damit rechnen müsste, dass das Andenken weder von Kindern - die man ja nicht hat - noch von der Institution - die zu viel Angst hat - gegen Verleumdungen verteidigt wird".

Die Bischofskonferenz hatte zum 1. Januar 2021 die Anerkennungsleistungen neu geregelt. Dazu wurde die Unabhängige Kommission für Anerkennungsleistungen (UKA) beauftragt, ein interdisziplinär besetztes Gremium aus sieben Fachleuten aus den Bereichen Recht, Medizin und Psychologie. Die Mitglieder stehen den Angaben zufolge in keinem Anstellungsverhältnis mit der katholischen Kirche und arbeiten weisungsunabhängig.