Theologe Körtner sieht Neuerfindung des Katholizismus

AltKatholische Kirche weiht Pristerinnen
© epd-bild / Thomas Lohnes
Regina Pickel-Bossau und Angela Berlis wurden 1996 zu den weltweit ersten Priesterinnen der altkatholischen Kirche geweiht.
Theologe Körtner sieht Neuerfindung des Katholizismus

Wien, Berlin (epd). Dem Wiener Theologen Ulrich Körtner zufolge erfindet sich die katholische Kirche möglicherweise gerade neu. Konsequent zu Ende gedacht könnte dies "auf die Entstehung einer weiteren deutschen katholischen Nationalkirche hinauslaufen", heißt es in einem Beitrag des Ordinarius für Systematische Theologie an der Evangelisch-Theologischen Fakultät der Universität Wien für das Magazin "zeitzeichen" (Januar) mit Blick auf die im 19. Jahrhundert entstandene altkatholische Kirche. "Das ist zwar ganz gewiss nicht das Ziel der Reformer", so Körtner: "Was aber wäre die Alternative, wenn der Reformprozess in der Weltkirche ein deutscher Sonderweg bleiben sollte?"

Reformen, die jetzt in Deutschland im Rahmen des Synodalen Weges gefordert werden, seien in der altkatholischen Kirche längst verwirklicht, sagte Körtner. So sei die altkatholische Kirche synodal und nicht zentralistisch wie die römische Papstkirche. Frauen werden seit den 90er Jahren zu Priesterinnen geweiht und inzwischen segnet die altkatholische Kirche auch gleichgeschlechtliche Partnerschaften. "Doch statt sich dieser anzuschließen, soll die bestehende römisch-katholische Kirche von innen heraus grundlegend umgestaltet werden, bei gleichzeitiger Beibehaltung des zentralistischen Papstamtes und der Dogmen des 2. Jahrtausends", gibt Körtner zu bedenken: "Wie das gehen soll, ohne die Grundfesten der römischen Kirche zum Einsturz zu bringen, ist bislang nicht erkennbar."

Der Theologe Ulrich Körtner

Oberflächlich betrachtet scheinen die Reformer Körtner zufolge eine "Protestantisierung der katholischen Kirche" anzustreben. Aber trotz Gewaltenteilung in der Kirche, Abschaffung des Zölibats, Frauenordination und einer zeitgemäßen Sexualethik befinde sich auch die evangelische Kirche in einer Krise. "Trotz demokratischer Kirchenstrukturen, Pfarrerinnen auf der Kanzel und einer liberalen Sexualethik kehren ihr massenhaft Mitglieder den Rücken zu", so Körtner. Kritiker des Synodalen Weges hielten den Reformprozess daher für eine Auflösungserscheinung. Körtner: "Ihrem konservativen Kirchen- und Glaubensverständnis gemäß hat die katholische Kirche durch ihre Protestantisierung kaum etwas zu gewinnen, dafür aber viel und Entscheidendes zu verlieren, nämlich ihre sakramentale Substanz und damit gewissermaßen ihren Markenkern."

Mit Blick auf Bemühungen für ein gemeinsames Abendmahl von Protestanten und Katholiken erklärte Körtner: "Der Ökumene täte es aber gut, gemeinsam eine Denkpause einzulegen, statt den eingeschlagenen Weg unverdrossen weiterzugehen, auf dem ein erneutes Scheitern vorprogrammiert ist. Für die evangelischen Kirchen ist das aus meiner Sicht auch eine Frage der Selbstachtung." Zur Fortsetzung ökumenischer Bemühungen gebe es allerdings keine Alternative, "gerade in Anbetracht der Kirchenkrise, die je auf ihre Weise die römische wie die evangelischen Kirchen erfasst hat." Der Synodale Weg der katholischen Geschwister wecke Sympathien auf evangelischer Seite. Zur ökumenischen Solidarität gehört es aber auch, "Realitätssinn zu bewahren".