Triage-Debatte: Justizministerin Lambrecht verweist auf Ethikrat

Triage-Debatte: Justizministerin Lambrecht verweist auf Ethikrat
Soll sich der Bundestag mit Regeln für eine Priorisierung von Patienten in Krankenhäusern befassen? Bundesjustizministerin Lambrecht sieht dazu keine Notwendigkeit und verweist auf Empfehlungen innerhalb der Ärzteschaft und des Deutschen Ethikrats.

Frankfurt a.M. (epd). In der Debatte über eine mögliche Befassung des Bundestages mit einer drohenden Triage in Kliniken verweist Justizministerin Christine Lambrecht (SPD) auf Empfehlungen der medizinischen Fachgesellschaften und des Deutschen Ethikrats. Wie und mit welchen intensivmedizinischen Maßnahmen Patientinnen und Patienten behandelt werden, sei eine ärztliche Entscheidung im Einzelfall, die allein nach medizinischen Kriterien getroffen werden könne, sagte Lambrecht. Die medizinischen Fachgesellschaften und der Deutsche Ethikrat hätten dazu Empfehlungen ausgesprochen. Auch der Ratsvorsitzende der Evangelischen Kirche in Deutschland (EKD), Heinrich Bedford-Strohm, sieht die Ärzte in der Verantwortung und warnte vor einer "Einteilung von Menschengruppen, deren Lebensrecht mehr oder weniger wiegt".

Der Begriff Triage (französisch für Auswahl, Sortieren, Sichten) stammt ursprünglich aus der Kriegsmedizin. Er beschreibt die Priorisierung medizinischer Hilfeleistung, insbesondere bei unerwartet hohem Aufkommen an Patienten und unzureichenden Behandlungsmöglichkeiten. Wegen der knapper werdenden Beatmungsplätze für Covid-19-Erkrankte wird befürchtet, dass Mediziner in Deutschland in nächster Zeit verstärkt vor Triage-Situationen gestellt werden könnten.

Bundesjustizministerin Lambrecht sagte der Düsseldorfer "Rheinischen Post" (Freitag), das Bundesverfassungsgericht habe klargestellt, dass jedes Leben gleich schützenswert sei und dass es nicht gegen ein anderes Leben abgewogen werden dürfe. Auch der Ethikrat habe ausgeführt, dass die Garantie der Menschenwürde es dem Staat verbiete, in akuten Krisensituationen nach Überlebenschancen und Sterberisiken zu unterscheiden.

Der SPD-Gesundheitsexperte Karl Lauterbach nannte es "völlig abwegig, den Bundestag über Triage-Regeln entscheiden zu lassen". "Alle deutschen Krankenhäuser haben funktionierende Triage-Pläne und können das für sich am besten organisieren", sagte der Mediziner. Die Überlastung einzelner Intensivstationen sei am besten dadurch zu vermeiden, dass man Patienten in andere Häuser verlegt. "Das passiere bereits", sagte er. Von einer drohenden Triage in mehreren Regionen sei man weit entfernt.

Auch Bedford-Strohm verwies auf die Kriterien des Ethikrates für den Fall von Triage-Situationen. Solche Kriterien jedoch könnten immer nur Hilfestellung für individuell zu treffende Entscheidungen sein. Wer diese Entscheidungen zu treffen habe, brauche Beistand und Solidarität, sagte der bayerische Landesbischof in einem am Freitag bei Facebook veröffentlichen Video. "Ich bete für die Menschen, die vor solch schwierigen Entscheidungen stehen", sagte Bedford-Strohm und fügte hinzu: "Lasst uns alle zusammen helfen, dass solche Situationen überhaupt gar nicht eintreten. Durch Einhaltung der Corona-Regeln können wir alle dabei mithelfen."

epd lwd/kfr