"Auseinandersetzung mit rechtem Terror ist von Vergessen geprägt"

"Auseinandersetzung mit rechtem Terror ist von Vergessen geprägt"
17.12.2020
epd
epd-Gespräch: Elisa Makowski

Erlangen (epd). Der Gedenkstätten-Pädagoge Daniel Burghardt von der "Initiative Kritisches Gedenken Erlangen" zeigt sich besorgt über Parallelen und Kontinuitäten zwischen dem antisemitischen Doppelmord an Shlomo Lewin und Frida Poeschke vor 40 Jahren und rechten Morden in der Gegenwart. "Die gesellschaftliche Auseinandersetzung mit rechtem Terror und rechter Gewalt ist von Nichtwahrnehmung und Vergessen geprägt", sagte Burghardt dem Evangelischen Pressedienst (epd). Nach anfänglichen Beileids- und Trauerbekundungen von offizieller Seite folge schnell ein Schlussstrich. Am 19. Dezember 1980 wurden der Rabbiner Lewin und seine Lebensgefährtin in ihrem Wohnhaus mit jeweils vier Pistolenschüssen ermordet. Der mutmaßliche Täter, ein Mitglied der verbotenen rechten "Wehrsportgruppe Hoffmann", beging vermutlich Suizid.

"Wir wollen an Lewin und Poeschke erinnern und die Verhältnisse anklagen, die sie zu Opfern gemacht haben und die noch heute existieren", sagte Burghardt. Einen rechten Tathintergrund hätten die staatlichen Behörden damals nur sehr oberflächlich verfolgt und stattdessen schließlich über Monate hinweg im Umfeld der Kultusgemeinde ermittelt. Nach der Selbstenttarnung des "Nationalsozialistischen Untergrunds" (NSU) 2011 haben laut Burghardt verschiedene antifaschistische Gruppen in Erlangen jedes Jahr zum Jahrestag der Ermordung von Poeschke und Lewin ein öffentliches Gedenken in der Erlanger Innenstadt veranstaltet. Aus diesem Engagement gründete sich 2019 die ehrenamtliche Initiative.

Wie beim NSU hätten sich die Ermittlungen im Mordfall vor 40 Jahren vor allem auf das persönliche Umfeld konzentriert, erklärte Burghardt. Auch damals habe es keinen Aufschrei und keine nennenswerten Beileidsbekundungen und Trauergesten der Mehrheitsgesellschaft gegeben. Jahrzehnte nach der Schoah sei ein bekannter Repräsentant der jüdischen Gemeinde ermordet worden, und die Opfer hätten keine gesamtgesellschaftliche Solidarität erfahren. "Mehr noch, sie wurden öffentlich diffamiert", sagte er. "Von diesem Klima der Gleichgültigkeit fühlen sich rechte Mörder bestätigt, ihre Ideologie in die Tat umzusetzen."

Vor allem Lewin sei wie auch die zahlreichen Opfer des NSU nicht als Teil der Mehrheitsgesellschaft angesehen worden. "Dadurch kommt keine ernsthafte Solidarisierung mit den Opfern zustande, sie bleiben außen vor", beklagte Burghardt. Medien hätten die Haltung widergespiegelt in Berichten über angebliche zwielichtige Machenschaften Lewins, die sich als falsch herausgestellt hätten.