Richterliche Meinung in Urteil zur Volksverhetzung tabu

Richterliche Meinung in Urteil zur Volksverhetzung tabu

Karlsruhe (epd). In einem Strafurteil zur Volksverhetzung hat die politische Meinung des Richters nichts zu suchen. Es verstößt nicht gegen die richterliche Unabhängigkeit, wenn der Dienstherr einen Richter auffordert, Kritik an der vermeintlich gescheiterten Flüchtlingspolitik von Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) in einem Urteil zu unterlassen, entschied das Dienstgericht des Bundes am Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe. (AZ: RiZ(R) 4/20)

Hintergrund des Rechtsstreits war ein Strafverfahren gegen eine Frau aus Sachsen wegen Volksverhetzung. Die Frau hatte im Juni 2016 auf einer NPD-Facebook-Seite unter der Überschrift "Flüchtlingsunterkünfte: 36 Fertighäuser für Flüchtlinge in Berlin" einen Kommentar abgegeben. Ein Facebook-Nutzer hatte zunächst geschrieben, dass Deutsche solche Unterkünfte nicht erhalten würden. Flüchtlinge würden das Land "überrennen". Es komme ein Tag an dem "es richtig knallt". Ein weiterer Nutzer schrieb: "Ich spende das Benzin!" Die Frau kommentierte dies mit "Ich bring den Brandbeschleuniger".

Daraufhin musste sie sich wegen Volksverhetzung vor einem Amtsgericht verantworten. Sie wurde freigesprochen, da der Kommentar nicht geeignet sei, "den öffentlichen Frieden zu stören". Der Amtsrichter setzte noch einen drauf und schrieb in seinem Urteil, dass die Entscheidung der Bundeskanzlerin, "eine bisher nicht bekannte Anzahl von Flüchtlingen unkontrolliert ins Land zu lassen", viel mehr geeignet sei, "den öffentlichen Frieden zu stören, als der Facebook-Kommentar der Angeklagten."

Der für die Dienstaufsicht zuständige Präsident des Landgerichts forderte dazu auf, künftig entsprechende politische Meinungsäußerungen in einem Urteil zu unterlassen. Die politische Entscheidung der Bundeskanzlerin zur Flüchtlingsfrage habe nichts mit dem konkreten Verfahren um Volksverhetzung tun.

Dem folgte auch das oberste Dienstgericht des Bundes beim BGH. Die richterliche Unabhängigkeit werde mit der Aufforderung, politische Statements in einem Urteil zu unterlassen, nicht verletzt. "Die richterliche Unabhängigkeit verleiht Richtern keinen Freibrief, im Rahmen der Urteilsbegründung zu allgemeinen politischen Problemen Stellung zu beziehen", erklärten die Karlsruher Richter.