Bericht: "Querdenken" kein Fall für den Verfassungsschutz

Bericht: "Querdenken" kein Fall für den Verfassungsschutz

Berlin (epd). Der Verfassungsschutz wird die "Querdenken"-Bewegung einem Bericht zufolge vorerst nicht förmlich zum Beobachtungsobjekt erklären. Das sei das Ergebnis einer Besprechung der Amtsleiter des Bundesamtes und der 16 Landesämter in der vergangenen Woche, berichtete das "RedaktionsNetzwerk Deutschland" (Sonntag) unter Berufung auf Sicherheitskreise. Im Moment reiche es noch nicht für eine Einstufung der Bewegung zum Beobachtungsobjekt.

Mit den "Querdenkern" verhalte es sich bundesweit ähnlich wie mit den Reichsbürgern, hieß es weiter: Nicht die ganze Bewegung sei extremistisch - was aber nicht ausschließe, dass Rechtsextremisten in einzelnen Bundesländern bei den "Querdenkern" einen bestimmenden Einfluss ausübten. Von den offiziell 19.000 Reichsbürgern gelten 950 als Rechtsextremisten.

Der bayerische Innenminister Joachim Herrmann (CSU) sagte den Zeitungen, die "Querdenken"-Bewegung sei eine äußerst heterogene Gruppierung, die man genau im Blick habe. Momentan sei aber der förmliche gesetzliche Beobachtungsauftrag des Verfassungsschutzes nicht eröffnet. "Sollten in Zukunft tatsächliche Anhaltspunkte für extremistische Bestrebungen bei der 'Querdenken'-Bewegung oder anderen Gruppierungen vorliegen, wird der Verfassungsschutz die Beobachtung natürlich aufnehmen, und zwar unverzüglich", sagte er.

Laut dem Rechercheverbund von "Süddeutscher Zeitung", NDR und WDR sehen die Verfassungsschützer von Bund und Ländern in der "Querdenker"-Bewegung teilweise einen Extremismus neuen Typs. Laut einer Verfassungsschutz-Analyse, aus der die "Süddeutsche Zeitung" zitierte, habe man es zum einen mit Normalbürgern und mit "klassischen Rechtsextremisten" zu tun, zum anderen aber auch mit einem "Extremismus, der nicht unter die im Verfassungsschutzverbund geläufigen Phänomenbereiche fällt".

Gemeint seien Gruppen, die rund um das Corona-Virus Verschwörungserzählungen verbreiteten und damit gezielt das Vertrauen in staatliche und andere Institutionen angriffen. Viele von ihnen würden trotz verbindender ideologischer Elemente wie Elitenfeindlichkeit, ausgeprägtem Antisemitismus und dem Glauben an eine "Neue Weltordnung" nicht in die traditionelle Schublade des Rechtsextremismus passen. So glaubten Teile der Verschwörungsszene an einen vermeintlichen "Deep State", an elitäre Zirkel, die in geheimen, teils unterirdischen Anlagen Kinder missbrauchten und ermordeten.

Der hessische Ministerpräsident Volker Bouffier rief unterdessen dazu auf, die Corona-Proteste nicht pauschal zu verurteilen. "Wir müssen die Corona-Demonstranten und ihre Sorgen ernst nehmen", sagte der stellvertretende CDU-Vorsitzende den Zeitungen der Funke Mediengruppe (Montag). Zugleich seien diejenigen anders zu beurteilen, "die mit Gewalt unterwegs sind, den Staat zerstören wollen oder mit der Reichskriegsflagge herumrennen." Deshalb diene es der Prävention, wenn der Verfassungsschutz bei der Bewegung genau hinschaue.

epd lnb/lwd mih