Nach Demo in Leipzig viel Kritik an sächsischem Innenminister

Nach Demo in Leipzig viel Kritik an sächsischem Innenminister
Nach der eskalierten "Querdenken"-Demonstration in Leipzig läuft in Sachsen die politische Aufarbeitung. Die Forderungen nach einem Rücktritt von CDU-Landesinnenminister Wöller mehren sich - auch seitens der Koalitionspartner von SPD und Grünen.

Leipzig, Berlin (epd). Nach der ausgearteten Anti-Corona-Demonstration am Samstag in Leipzig häufen sich Rufe nach Konsequenzen. Der sächsische Vize-Ministerpräsident und SPD-Chef Martin Dulig widersprach am Montag offen der Darstellung der Ereignisse durch Innenminister Roland Wöller (CDU). Die Grünen als dritter Koalitionspartner hatten bereits am Wochenende Wöllers Rücktritt gefordert, am Montag schloss sich auch die Linken-Landtagsfraktion an. Rückendeckung erhielt Wöller aus Berlin.

Dulig schrieb auf Twitter, dass Versammlungen so aus dem Ruder liefen, dürfe sich nicht wiederholen. "Entgegen anderer Darstellung" habe es sich nicht um eine friedliche Versammlung gehandelt. Mehrere Hundert Gewaltbereite, darunter viele Nazis, hätten "Polizei und Presse brutal attackiert und so die Demo über den Ring erzwungen".

Wöller hatte am Sonntag erklärt, die Polizei habe "den überwiegend friedlichen Verlauf der Demonstration und das Abströmen der Teilnehmer gewährleistet und gewalttätige Auseinandersetzungen zwischen den Gruppen verhindert". Angriffe von teils rechtsextremen Demonstranten, bei denen Dutzende Polizisten und Medienvertreter verletzt wurden, erwähnte er nicht. Die Genehmigung der Demonstration in der Innenstadt durch das Oberverwaltungsgericht (OVG) Bautzen nannte Wöller "unverantwortlich".

Linken-Fraktionschef Rico Gebhardt erklärte am Montag, Ministerpräsident Michael Kretschmer (CDU) müsse Wöller "unverzüglich aus dem Amtsverhältnis entlassen". Zudem forderte die Fraktion umfassende Aufklärung zum Einsatz der Polizei und beantragte für Donnerstag eine Sondersitzung des Landtags-Innenausschusses.

Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) erklärte am Sonntag, die Polizei habe seine volle Rückendeckung. "Wir müssen damit aufhören, die Taktik der Polizei im Nachhinein und ohne Kenntnis von Details und ohne vollständiges Bild per Ferndiagnose zu hinterfragen", erklärte er von Berlin aus.

Der Unionsfraktionsvize im Bundestag Thorsten Frei (CDU) bezeichnete die Kritik an der Polizei als "bestenfalls wohlfeil". Der OVG-Beschluss sei verantwortungslos gewesen und habe den Einsatzkräften "eine nicht zu bewältigende Aufgabe" aufgebürdet.

Auch die Deutsche Polizeigewerkschaft (DPolG) und die Gewerkschaft der Polizei (GdP) kritisierten das Gericht. DPolG-Chef Rainer Wendt sagte dem SWR, er wünschte sich, dass Richter "dann auch am Wochenende in der ersten Reihe stehen und miterleben, was sie mit ihrer Entscheidung angerichtet haben".

In Leipzig waren am Samstag Zehntausende aus ganz Deutschland einem Aufruf der "Querdenken"-Bewegung gefolgt, darunter Hooligans und Rechtsextremisten. Auflagen wie Abstands- und Maskenpflicht wurden missachtet, weshalb die Stadt die Demonstration nach zweieinhalb Stunden beendete. In der Folge durchbrachen Teilnehmer eine Polizeisperre und zogen trotz Verbots ungehindert um und durch die Innenstadt. Die Polizei war mit rund 3.200 Kräften im Einsatz.

Zuvor hatte das OVG der Verlegung der Demo an den Stadtrand durch die Behörden widersprochen und sie auf dem zentralen Augustusplatz zugelassen. Der Leipziger Oberbürgermeister Burkhard Jung (SPD) bezeichnete das in der "Leipziger Volkszeitung" (Montag) als "empörend" und "fern jeglicher Realisierbarkeit". Er sei "stinksauer", dass die Kommunen alleingelassen würden.