RKI-Chef zu Corona: Lage ist sehr ernst, aber wir sind nicht machtlos

RKI-Chef zu Corona: Lage ist sehr ernst, aber wir sind nicht machtlos
Die Infektionen mit dem Corona-Virus steigen immer schneller an, am stärksten im privaten Umfeld. Mehr denn je kommt es deshalb darauf an, die Regeln auch zu Hause und im privaten Umfeld einzuhalten, sagt RKI-Chef Wieler.

Berlin (epd). Angesichts einer Höchstzahl an Neuinfektionen hat der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Lothar Wieler, eindringlich an die Bevölkerung appelliert, die Corona-Schutzregeln immer und überall einzuhalten. Die Situation sei inzwischen "insgesamt sehr ernst geworden", sagte Wieler am Donnerstag in Berlin. Das Infektionsgeschehen nehme vielerorts rasant zu. Den Auswertungen des RKI zufolge passieren die meisten Ansteckungen im privaten Umfeld. Am Donnerstag waren dem RKI mit 11.287 Fällen die bisher höchste Zahl an Neuinfektionen binnen eines Tages gemeldet worden.

Angesichts der Entwicklung komme es nun mehr denn je darauf an, dass alle stets die AHA+L-Regel (Abstand, Hygiene, Alltagsmasken und Lüften) einhalten, insbesondere im privaten Umfeld, betonte Wieler: "Derzeit haben wir noch die Chance, die weitere Ausbreitung des Virus zu verlangsamen", sagte der RKI-Chef: "Wir sind nicht machtlos." Jeder Einzelne könne sein Infektionsrisiko durch die Einhaltung der Regeln deutlich verringern, auch dann noch, wenn es in seinem Umfeld Infektionen gebe, betonte Wieler.

Dem RKI-Präsidenten zufolge ist damit zu rechnen, dass sich das Virus regional weiter stark und "sogar unkontrolliert ausbreiten kann". Die Zahlen stiegen immer schneller. In der vergangenen Woche seien dem RKI etwa dreimal so viele Fälle übermittelt worden wie vor zwei Wochen. Die Sieben-Tage-Inzidenz liege bundesweit derzeit bei 56,2 Fällen, berichtete Wieler. Vor zwei Wochen habe sie noch bei 20,2 Fällen gelegen, im Juni bei drei Fällen. Der Wert gibt an, wie viele Menschen pro 100.000 Einwohner sich binnen sieben Tagen mit dem Virus anstecken. Ab einer Schwelle von 50 gelten Regionen als Risikogebiete, einige lokale Regel-Verschärfungen greifen bereits ab 35 Fällen.

Den Auswertungen des RKI zufolge stecken sich die meisten Menschen im eigenen Umfeld und bei privaten Begegnungen an. Die Beschränkungen für private Feiern und Zusammenkünfte in geschlossenen Räumen gingen daher in die richtige Richtung, erklärte Wieler. Ausbrüche in Verkehrsmitteln, in Schulen oder bei Übernachtungen spielten hingegen keine große Rolle für das Infektionsgeschehen, sagte Wieler vor dem Hintergrund des politischen Streits um Beherbergungsverbote in Hotels und Ferienwohnungen.

Weiterhin steckten sich gegenwärtig vor allem jüngere Menschen an. Alten- und Pflegeheime sind Wieler zufolge heute besser geschützt als bei der ersten Welle im Frühling. Es sei aber damit zu rechnen, dass bei einer weiteren Verbreitung des Virus auch dort die Infektionszahlen wieder stiegen und in der Folge auch die Todesfälle, erklärte der RKI-Chef.

Die Zahl der Neuinfektionen ist in Deutschland erstmals binnen eines Tages über 10.000 gestiegen. Die Gesundheitsämter meldeten dem RKI am Donnerstagmorgen für den Vortag 11.287 neue Infektionen. Zuvor hatte der Tagesanstieg bei 7.595 gelegen, der bisherige Höchstwert hatte am vergangenen Freitag 7.830 betragen.

30 weitere Menschen starben im Zusammenhang mit einer Covid-19-Erkrankung. Damit erhöhte sich die Zahl der Todesfälle in Deutschland auf 9.905. Laut RKI-Bericht vom Mittwoch werden 943 Menschen intensivmedizinisch behandelt, doppelt so viele wie vor zwei Wochen. 424 Patientinnen und Patienten werden künstlich beatmet.

Seit Beginn der Pandemie wurden 392.049 Infektionen nachgewiesen. Geschätzt haben etwa 306.000 Menschen die Infektion überstanden. Aktuell ergeben sich rechnerisch etwa 76.000 Menschen mit einer akuten Infektion.