Orthodoxer Segen im Klassenzimmer kein Bruch der Religionsfreiheit

Orthodoxer Segen im Klassenzimmer kein Bruch der Religionsfreiheit

Brüssel, Straßburg (epd). Eine religiöse Segnung in der Schule verletzt nicht schon als solche die Religionsfreiheit eines andersgläubigen Schülers. Das entschied der Europäische Gerichtshof für Menschenrechte (EGMR) am Dienstag in Straßburg zu einem Fall aus Russland, wo ein orthodoxer Priester in einem Klassenzimmer eine Zeremonie abgehalten hatte. Der EGMR wies auch die Klagen der Eltern ab, die neben zu ihrer eigenen Religionsfreiheit - die Familie gehört einer anderen christlichen Konfession an - ihr Recht auf Erziehung geltend gemacht hatten. (AZ: 47429/09)

Im Jahr 2007 war es zu Schuljahresbeginn in der Klasse einer kommunalen Schule zu der rund 20-minütigen Zeremonie gekommen, wie der EGMR erklärte. Ein orthodoxer Priester sang demnach Gebete, verteilte Papier-Ikonen und lud die Schüler ein, ein Kruzifix zu küssen. Die Eltern beschwerten sich und führten unter anderem an, ihr damals sieben Jahre alter Sohn habe zum Mitmachen genötigt werden sollen.

Die russischen Behörden untersuchten den Fall und rügten beziehungsweise bestraften Schuldirektor und Lehrer. Die Zeremonie wurde ihnen zufolge privat aus der Elternschaft organisiert. Aus diesem Grund blieb laut EGMR eine Zivilklage der Eltern in Russland auf Entschädigung erfolglos.

Vor diesem Hintergrund sah der EGMG auch keine Verletzung der Europäischen Menschenrechtskonvention. Neben der deutlichen Reaktion der russischen Behörden führten die Straßburger Richter an, dass es sich um ein kurzes und isoliertes Ereignis gehandelt habe. Dem Gericht zufolge nahm der Junge nicht an den Riten teil und wurde nicht dazu gedrängt. Die bloße Präsenz habe in ihm zwar womöglich Gefühle des Nichteinverstandenseins hervorgerufen. Das Ganze solle aber im "Kontext der Aufgeschlossenheit und Toleranz" beurteilt werden, die unter verschiedenen Religionsgruppen in einer Demokratie nötig sei.