Spahn zu Corona: "Wir dürfen das Erreichte nicht verspielen"

Spahn zu Corona: "Wir dürfen das Erreichte nicht verspielen"
Vor dem Winter appellieren Gesundheitsminister Spahn und RKI-Chef Wieler an jede und jeden Einzelnen, sich an die Corona-Regeln zu halten. Davon hänge der Verlauf der Pandemie ab - und die Versorgung der Erkrankten.

Berlin (epd). Bundesgesundheitsminister Jens Spahn (CDU) zeigt sich angesichts der steigenden Ansteckungszahlen in Deutschland besorgt und hat erneut an die Bevölkerung appelliert, sich an die Corona-Regeln zu halten. Spahn trat am Donnerstag gemeinsam mit dem Präsidenten des Robert Koch-Instituts, Lothar Wieler, und weiteren Experten in Berlin vor die Presse, um über die aktuelle Corona-Lage zu informieren.

"Wir dürfen das Erreichte nicht verspielen", sagte Spahn und rief zugleich zur Zuversicht auf. Deutschland sei bisher gut durch die Krise gekommen. "Es liegt an uns allen", appellierte Spahn, "wenn 80 Millionen mitmachen, sinken die Chancen des Virus gewaltig." Abstand, Hygiene, Alltagsmasken, die Corona-Warn-App und im Winter regelmäßiges Lüften seien die wirksamsten Waffen gegen Neuinfektionen.

Von einer Debatte über einen neuen Lockdown wie im Frühjahr halte er nichts, sagte Spahn. Da werde man nicht wieder hinkommen, weil man nun deutlich mehr über die Verbreitung des Virus wisse. Wo die Regeln eingehalten würden, wirkten sie auch: "Wir haben keine Ausbrüche beim Einkaufen. Wir haben keine Ausbrüche beim Friseur. Wir haben kaum Ausbrüche im öffentlichen Nahverkehr", sagte Spahn. Auch in den Kindergärten und Schule laufe es "vergleichsweise gut". Das Problem seien Zusammenkünfte vieler Menschen auf engem Raum, wo die Regeln nicht eingehalten würden. Dort seien regionale Beschränkungen nötig, sagte Spahn.

Der Präsident des Robert Koch-Instituts (RKI), Wieler, sagte, es steckten sich zurzeit vor allem junge Leute an. Man sehe aber auch wieder mehr Ausbrüche in Altenheimen und Krankenhäusern. Wenn mehr ältere Menschen erkrankten, werde es wieder mehr schwere Verläufe und Todesfälle geben, warnte der RKI-Präsident.

Anfang Oktober seien doppelt so viele Infektionen registriert worden wie noch Anfang September, erläuterte Wieler. Niemand könne voraussagen, wie sich die Lage weiter entwickeln werde. Aber die aktuelle Situation beunruhige ihn sehr. "Es ist möglich, dass wir mehr als 10.000 Fälle pro Tag sehen", sagte er, "es ist möglich, dass sich das Virus unkontrolliert verbreitet." Seine Hoffnung sei aber eine andere.

Die Gesundheitsämter hatten dem Robert Koch-Institut zuletzt binnen 24 Stunden 4.058 Neuinfektionen gemeldet, die bisher höchste Zahl seit den ersten Wochen der Pandemie. Nach Informationen des "Spiegels" will Bundeskanzlerin Angela Merkel (CDU) die Corona-Lage an diesem Freitag mit den Spitzen der elf größten deutschen Städte und Stadtstaaten beraten.

Die Gießener Infektiologin Susanne Herold berichtete in Berlin, es müssten zunehmend mehr Covid-19-Patienten in den Klinken aufgenommen werden. Derzeit würden 470 Menschen auf den Intensivstationen behandelt. Die Klinken befürchteten, dass die Aufnahmen in den kommenden Wochen auf den Normal- und den Intensivstationen deutlich ansteigen werden, sagte Herold. Man bereite sich auf eine Welle von Behandlungen schwer Erkrankter vor. Das könne auch dazu führen, dass nicht dringend notwendige Operationen abgesagt und andere Behandlungen verschoben werden müssen, warnte sie.

Der Intensivmediziner Christian Karagiannidis von der Deutschen Gesellschaft für Internistische Intensivmedizin und Notfallmedizin (DIIN) sagte der in Düsseldorf erscheinenden "Rheinischen Post" (Donnerstag), momentan sei die Situation auf den deutschen Intensivstationen noch entspannt: "Allerdings zeigen sich regional, insbesondere in den Großstädten, doch schon deutliche Einschränkungen in den Kapazitäten. Besonders in Berlin."

Mit Blick auf die von Spahn angekündigten zusätzlichen Schnelltests forderte die Bundesvorsitzende der Lebenshilfe, Ulla Schmidt, die Tests auch in Behinderteneinrichtungen zu ermöglichen. Auch Menschen mit Behinderung müssten vor Infektionen wie auch unnötiger Isolation geschützt werden, sagte Schmidt.

Millionen zusätzlicher Corona-Schnelltests sollen Spahn zufolge von Mitte Oktober an in Senioren- und Pflegeheimen, Pflegediensten, Krankenhäusern und anderen Gesundheitseinrichtungen eingesetzt werden, um Corona-Ausbrüche zu verhindern oder schnell einzugrenzen. Besucher, Bewohner und Personal sollen so oft wie nötig getestet werden können. Bis zum 15. Oktober soll geklärt werden, in welchem Umfang die Krankenkassen die Kosten übernehmen.

epd bm/lwd kfr