Zwischenbericht zu Missbrauch im Bistum Mainz vorgelegt

Zwischenbericht zu Missbrauch im Bistum Mainz vorgelegt

Mainz (epd). Verantwortliche im Bistum Mainz haben in der Vergangenheit offenbar viele Fälle von sexuellem Missbrauch vertuscht und ein hartes Vorgehen gegen die Täter verhindert. Fehlverhalten der Bistumsleitung habe es bis in die Amtszeit von Kardinal Karl Lehmann (1983-2016) hinein gegeben, sagte der Regensburger Rechtsanwalt Ulrich Weber am Mittwoch in Mainz. Als Leiter einer unabhängigen Untersuchung stellte er den Zwischenbericht eines mehrjährigen Aufarbeitungsprojekts vor. Er appellierte an Betroffene und Wissensträger, die bislang zu Vorfällen geschwiegen haben, sich bei ihm zu melden.

Für die Untersuchung hatte Weber mit seinem Team erstmals alle Missbrauchsfälle in katholischen Einrichtungen auf dem Bistumsgebiet in den Blick genommen. Auch Fälle, in denen erwachsene Schutzbedürftige zum Opfer wurden und keine Kleriker, sondern angestellte oder ehrenamtliche Mitarbeiter des Bistums in die Vorfälle verwickelt waren, wurden erfasst. Nach über einjähriger intensiver Prüfung teils geheimer Akten und mehr als 100 Gesprächen mit Betroffenen und deren Umfeld gehe er für den Zeitraum zwischen 1945 und 2019 mittlerweile von 273 Beschuldigten und 422 Opfern von Missbrauch und sexuellen Grenzverletzungen aus.

"Aus heutiger Sicht drängt sich ein ganzer Katalog weiterer Fragen auf", sagte Weber. So sei es nicht mehr nachvollziehbar, warum selbst nicht verjährte Fälle von der Bistumsleitung nicht zur Anzeige gebracht wurden und kirchliche Stellen beschuldigten Mitarbeitern oft ein grenzenloses Vertrauen entgegenbrachten. Pfarrgemeinden hätten Vorfälle nicht weitergemeldet. Stattdessen seien Missbrauchstäter selbst bei gravierenden Verfehlungen kirchenintern oft nur milde sanktioniert worden und Opfer unter Druck gesetzt worden, damit sie schweigen. Bei einem Wechsel von Priestern in eine Region seien die neuen Zuständigen oft über Vorfälle nicht informiert worden.

Der Mainzer Bischof Peter Kohlgraf sagte, die Arbeit der Untersuchungsgruppe helfe dem Bistum dabei, "in einen schrecklichen Abgrund" zu blicken. Er versicherte, das Bistum sei an einer schonungslosen Aufklärung der Missbrauchsthematik interessiert und werde sich auch den dunklen Seiten in der Amtsführung seiner Vorgänger Lehmann und Hermann Volk stellen.

Nach Beginn der Aufarbeitung des Missbrauchsskandals in der katholischen Kirche hatte das Bistum Mainz bereits Akten zu insgesamt 199 Fällen an die Generalstaatsanwaltschaften Koblenz und Frankfurt übergeben. Opfer erhielten bislang in knapp 60 Fällen sogenannte Anerkennungszahlungen für das von ihnen erlittene Leid in Gesamthöhe von bislang 341.000 Euro. Daneben übernahm das Bistum in einigen Fällen auch Therapiekosten.