Papst-Enzyklika: Hilfswerke werben für ernsthafte Auseinandersetzung

Papst-Enzyklika: Hilfswerke werben für ernsthafte Auseinandersetzung
Angesichts der Corona-Pandemie ruft Papst Franziskus zu mehr "Geschwisterlichkeit" unter den Menschen auf. Die kirchlichen Hilfswerke Adveniat und Misereor werten dies als Unterstützung ihrer Arbeit.

Rom, Assisi (epd). Die katholischen Hilfswerke Adveniat und Misereor haben mit Zustimmung auf die neue Enzyklika von Papst Franziskus reagiert. Sein Schreiben könne "all denjenigen den Rücken stärken, die sich gemeinschaftlich überall auf der Welt, jenseits von Religions- und Landesgrenzen tagtäglich für den Erhalt der Schöpfung einsetzen, Menschenrechtsverletzungen anprangern und sich nicht selten dafür in Lebensgefahr begeben", erklärte Misereor-Hauptgeschäftsführer Pirmin Spiegel am Sonntag in Aachen. Laut Adveniat-Hauptgeschäftsführer Michael Heinz ermutigt Franziskus zu Solidarität.

In seiner Enzyklika fordert Papst Franziskus eine radikale wirtschaftliche, politische und gesellschaftliche Wende als Antwort auf die Corona-Krise. Die Pandemie habe die Unfähigkeit zum gemeinsamen Handeln offenbart, schreibt er in seinem am Sonntag im Vatikan veröffentlichten Lehrschreiben. "Trotz aller Vernetzung ist eine Zersplitterung eingetreten, die es erheblich erschwert hat, die Probleme, die alle betreffen, zu lösen", betont das katholische Kirchenoberhaupt in der rund 80-seitigen Enzyklika "Fratelli tutti" (Alle Brüder). Sie trägt den Untertitel "Über die Geschwisterlichkeit und die soziale Freundschaft".

Die "schlimmste Reaktion" auf die derzeitige Gesundheitskrise wäre, "noch mehr in einen fieberhaften Konsumismus und in neue Formen der egoistischen Selbsterhaltung zu verfallen", schreibt Papst Franziskus. Er hatte seine neue Enzyklika am Samstag in Assisi unterzeichnet. Das katholischen Kirchenoberhaupt feierte zuvor am Grab von Franz von Assisi (1182-1226) eine Messe. Wegen der Corona-Pandemie fand die Feier unter Ausschluss der Öffentlichkeit statt. Das Lehrschreiben wurde am Sonntag in mehrere Sprachen übersetzt veröffentlicht.

Der Vorsitzende der katholischen Deutschen Bischofskonferenz, Georg Bätzing, würdigte die Enzyklika als einen "eindringlichen Appell für weltweite Solidarität und internationale Zusammenarbeit." Papst Franziskus wende sich insbesondere gegen nationale Abschottung und rege an, über eine "Ethik der internationalen Beziehungen" nachzudenken. Er setze sich für Chancengerechtigkeit, soziale Inklusion und Teilhabegerechtigkeit ein. Die Kirche stehe in der Pflicht, sich in gesellschaftliche und politische Diskussionen und Entscheidungsprozesse einzubringen, erklärte Bätzing.

Adveniat-Hauptgeschäftsführer Heinz erklärte, dass der Papst in vielen Punkten sehr konkret werden. Etwa, wenn für Waffen und Militärausgaben verwendetes Geld für die Entwicklung der ärmsten Länder genutzt werden sollte. "Wichtig für die Menschen in Lateinamerika ist zudem auch der Appell von Papst Franziskus, dass sich Unternehmertätigkeiten auf die Überwindung von Armut ausrichten müssten", sagte er.

"Ich hoffe und wünsche mir, dass die Enzyklika nicht als 'frommer Text' zu den Akten gelegt wird", betonte Heinz. "Vielmehr kommt es nun darauf an, dass diejenigen, die in Deutschland, Lateinamerika und weltweit Verantwortung in Politik, Wirtschaft, Gesellschaft und Kirche tragen, diese Botschaften ernst nehmen und sie zur Leitschnur ihres politischen Handelns machen."

Misereor-Hauptgeschäftsführer Spiegel lobte das "hohe persönliche Engagement" von Papst Franziskus für die Zukunft der Menschheit. "Das schließt zugleich untrennbar mit ein, auch auf die eigene Kirche zu schauen, selbst strukturelle Konsequenzen zu ziehen und konkret zu werden", erklärte er. Diskriminierende und ausschließende Machtverhältnisse müssten beispielsweise überwunden und die Gleichberechtigung der Geschlechter umgesetzt werden. Erste konkrete Schritte sollten der unmittelbare Rückzug von Geldanlagen aus Kohle, Erdöl oder Gas sein und verbindliche Sorgfaltsregeln bei Lieferketten festzulegen.

Eine Enzyklika ist ein Päpstliches Rundschreiben an einen Teil oder an alle Bischöfe sowie an alle Gläubigen, oft auch an alle Menschen guten Willens. Sie befasst sich mit Gegenständen der Glaubens- und Sittenlehre, der Philosophie, der Sozial-, Staats- und Wirtschaftslehre sowie der Disziplin und der Kirchenpolitik. Päpstliche Rundschreiben sind Ausdruck oberster Lehrgewalt des Papstes, aber keine "unfehlbaren" Lehräußerungen.