Skandal um rechtsextreme Chats erreicht Verfassungsschutz in NRW

Skandal um rechtsextreme Chats erreicht Verfassungsschutz in NRW
«Monitor»-Bericht: Rassistische Chats auch bei Berliner Polizei
Verfassungsschutzmitarbeiter in Nordrhein-Westfalen, eine Polizeigruppe in Berlin: Die Sicherheitskräfte müssen sich immer neuen Vorwürfen über rechtsextreme Äußerungen und Tendenzen stellen. Innenminister Seehofer verspricht Aufklärung.

Berlin, Düsseldorf (epd). Der Skandal um rechtsextreme Tendenzen in den Sicherheitskräften zieht weitere Kreise. Aus Nordrhein-Westfalen wurde nach der Aufdeckung von rechtsextremen Chats von Polizisten jetzt bekannt, dass auch der Verfassungsschutz betroffen ist. Auch aus Berlin wurden am Donnerstag rassistische Chats in einer Polizeigruppe gemeldet. Die Berliner Polizei leitete Ermittlungen ein, Bundesinnenminister Horst Seehofer (CSU) versprach vor dem Bundestag die Aufklärung und Verfolgung rechtsextremer Vorfälle.

In Nordrhein-Westfalen habe sich bei drei von vier Verdächtigen im Innenministerium herausgestellt, dass sie für das Observationsteam des Verfassungsschutzes gearbeitet hätten, bestätigte das Innenministerium in Düsseldorf entsprechende Berichte der "Rheinischen Post". Laut der Zeitung bejahte das Ministerium schriftlich zudem die Frage, ob die verdächtigten Mitarbeiter auch an der Observation von Rechtsextremisten beteiligt gewesen seien.

NRW-Innenminister Herbert Reul (CDU) erklärte zudem, die vier Mitarbeiter hätten zwischen November 2018 und Januar 2019 in einer Chartgruppe fremden- und islamfeindliche Inhalte ausgetauscht. Die Inhalte seien allerdings in ihrer Radikalität "weit entfernt" von den Nachrichten, die sich die Polizisten in der zum Polizeipräsidium Essen gehörenden Wache in Mülheim zugeschickt hatten. Strafrechtlich seien die Taten deshalb auch nicht relevant, gleichwohl handle es sich bei den Vorfällen nicht um Bagatellen. "Wir dulden keine rechten Umtriebe", erklärte Reul.

Das Landesinnenministerium hatte nach eigenen Angaben unmittelbar nach Bekanntwerden entsprechende Verfahren und Ermittlungen eingeleitet. Ein Verfahren sei bereits mit der Verhängung einer Disziplinarmaßnahme abgeschlossen worden. Auch personalrechtliche Maßnahmen seien getroffen worden. "Das betroffene Team im Verfassungsschutz wurde aufgelöst, das Führungspersonal ausgewechselt", erklärte das Ministerium. Nach der Aufdeckung der Polizei-Chats in NRW vor rund zwei Wochen wurden bereits etwa 30 Polizistinnen und Polizisten vom Dienst suspendiert. Ähnliche Vorfälle gab es auch in Hessen.

Unterdessen wurde laut einem Bericht des ARD-Magazins "Monitor" auch in Berlin ein rassistischer Polizeichat bekannt. Darin sei in Bezug auf Muslime von "fanatischer Primatenkultur" die Rede, Flüchtlinge würden mit Vergewaltigern oder "Ratten" gleichgesetzt und Neonazis als mögliche "Verbündete" bei linken Demonstrationen bezeichnet. In dem internen Chat einer Dienstgruppe der Berliner Polizei hätten sich mehr als 25 Beamte ausgetauscht.

Dem vom WDR verantworteten Magazin lag nach eigenen Angaben der Chatverlauf über mehrere Jahre bis Mitte 2020 vor. Mehrere Beamte hätten sich darin regelmäßig klar rassistisch geäußert, häufig in Form von vermeintlichen Witzen. Kollegen hätten die Äußerungen häufig mit Zustimmung kommentiert. Laut den "Monitor" vorliegenden Unterlagen sei ein Vorgesetzter über rassistische Äußerungen im Chat informiert gewesen. In einer E-Mail habe er die Beamten aber offenbar lediglich aufgefordert, keine strafrechtlich relevanten Inhalte zu teilen. Die Ausstrahlung der Sendung stand für Donnerstagabend im Programm.

Laut Berliner Polizei wurden nach Bekanntwerden der Vorwürfe Ermittlungen aufgenommen und ein Strafverfahren eingeleitet. Rassisten hätten in der Berliner Polizei keinen Platz, hieß es in einer am Donnerstag verbreiteten Erklärung.

Bundesinnenminister Seehofer ging am Donnerstag in seiner Rede zum Haushalt vor dem Bundestag zwar nicht explizit auf die Berichte ein, sagte aber, die Linie der Bundesregierung sei klar: "Wir klären auf, wir vertuschen nichts, wir verfolgen rigoros und wir richten uns nach dem Prinzip 'null Toleranz' für Rechtsextremisten, ganz gleich auf welcher Ebene und in welcher Berufsgruppe."

Oppositionspolitiker erneuerten ihre Forderung nach einer Studie über Rechtsextremismus in Sicherheitsbehörden. "Die Fakten müssen auf den Tisch", sagte die Grünen-Bundestagsabgeordnete Irene Mihalic, die selbst Polizeibeamtin ist, im Parlament. Der Linken-Abgeordnete Victor Perli sagte, rassistische Vorfälle in der Polizei müssten aufgearbeitet und abgestellt werden. Sonst ginge Vertrauen verloren. Der SPD-Abgeordnete Lars Castellucci forderte auf Twitter: Sollten sich die neuen Fälle bewahrheiten, sei dringend eine Studie zu rechten Einstellungsmustern und Strukturen in den Sicherheitsbehörden nötig.

epd lde/co/svo rks