Missbrauchsbeauftragter kritisiert fehlende Schutzkonzepte in Schulen

Missbrauchsbeauftragter kritisiert fehlende Schutzkonzepte in Schulen
Zu wenige Schulen hätten Schutzkonzepte gegen sexuelle Gewalt, kritisiert der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung. Er fordert verbindliche Regeln in den Schulgesetzen. Die Kultusminister wollen den Schulen dagegen noch Zeit geben.

Berlin (epd). Der Missbrauchsbeauftragte der Bundesregierung, Johannes-Wilhelm Rörig, hat die Kultusminister dazu aufgefordert, die Schulen stärker zum Engagement gegen sexuelle Gewalt zu verpflichten. Alle 16 Bundesländer müssten in ihren Schulgesetzen verbindlich die Einführung von Schutzkonzepten regeln, sagte Rörig anlässlich einer Fachtagung am Donnerstag in Berlin. Nach seinen Angaben wenden derzeit nur 16 Prozent der Schulen umfassende Schutzkonzepte an. Das heiße im Umkehrschluss, dass 84 Prozent der Schulen solche Schutzkonzepte nicht hätten, sagte Rörig mit Verweis auf aktuelle Forschungsergebnisse des Deutschen Jugendinstituts.

Rörig ergänzte, Präventionsmaßnahmen würden auch dort greifen durch die allgemein vorhandenen Konzepte zum Schutz vor Gewalt, Mobbing oder Drogenmissbrauch. Dennoch plädierte er für eigene Konzepte auch beim Thema sexuelle Gewalt an allen rund 30.000 Schulen in Deutschland. Sie müssten Ansprechpersonen, ein Beschwerdesystem, Fortbildungsmaßnahmen für Lehrer und Präventionsmaßnahmen vorsehen, erläuterte er.

Seine langjährige Erfahrung als Missbrauchsbeauftragter bringe ihn zu der Überzeugung, dass Freiwilligkeit allein nicht zu einem umfassenden Schutz führe, sagte Rörig. Seit Jahren gebe es keinen Rückgang der Fallzahlen von sexueller Gewalt und Missbrauch.

Die Vize-Präsidentin der Kultusministerkonferenz, Britta Ernst (SPD), äußerte sich zurückhaltend zu Rörigs Forderung. Es sei richtig, dass die Verbindlichkeit gesteigert werden müsse. Zunächst müsse man aber den Schulen Zeit geben, sich dem Thema zu nähern und Fortbildungen zu absolvieren, sagte die Brandenburger Bildungsministerin. Die Bedeutung der Schule als Ort für die Bekämpfung von sexueller Gewalt sei trotz insgesamt langer Diskussion um Missbrauch erst in den vergangenen Jahren in den Fokus gerückt worden, sagte sie.

Bei der zweitägigen Fachtagung im Bundesbildungsministerium sollten am Donnerstag und Freitag Experten beraten, wie pädagogisches Personal an Schulen stärker zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beitragen kann. Dabei geht es nicht in erster Linie um Missbrauch etwa durch Lehrer, sondern um das Erkennen von Fällen, die sich in der Familie, im sozialen Umfeld oder durch Mitschüler abspielen.

Schulen müssten ein Schutzraum sein, sagte der Staatssekretär im Bundesbildungsministerium, Christian Luft. Das Ministerium unterstützt die Forschung und will nach seinen Worten unter anderem mit dafür sorgen, dass Ergebnisse aus der Wissenschaft auf die Praxis übertragen werden und dort zum Schutz von Kindern und Jugendlichen beitragen. Das Ministerium habe bereits 24 Millionen Euro für die Forschung investiert, weitere sechs Millionen Euro sollen nun zur Verfügung gestellt werden, sagte Luft.