Bundesregierung startet Nationale Demenzstrategie

Bundesregierung startet Nationale Demenzstrategie
Angehörige sollen «konkrete, lebensnahe Hilfe» erhalten
Die Bundesregierung hat mit einer Demenzstrategie Großes vor: Sie will ein "neues gesellschaftliches Bewusstsein in allen Bereichen des Lebens" für Menschen mit Demenz schaffen. Kritiker fordern indes Lohnersatzleistungen für betroffene Familien.

Berlin, Dortmund (epd). Die Bundesregierung hat am Mittwoch den Startschuss für eine Nationale Demenzstrategie gegeben. Ziel ist es, Deutschland mit einem breiten gesellschaftlichen Bündnis demenzfreundlich zu gestalten. Das Bundeskabinett hatte bereits am 1. Juli die bundesweite Demenzstrategie verabschiedet. Nun beginnt die konkrete Umsetzung, wie Bundesseniorenministerin Franziska Giffey (SPD), Gesundheitsminister Jens Spahn und Forschungsministerin Anja Karliczek (beide CDU) in Berlin erklärten. Patientenschützer äußerten sich kritisch.

Giffey sagte, es gehe darum, Menschen mit Demenz und ihren Angehörigen "konkrete, lebensnahe Hilfe anzubieten". Das könne nur gelingen, wenn in den Kommunen vor Ort Partnerschaften entstünden. Deshalb sollen zu den bereits bestehenden 500 lokalen Allianzen für Demenz in Städten und Gemeinden laut Giffey 150 weitere hinzukommen. Der Bund fördert diese ab 1. Oktober für drei Jahre mit jeweils 10.000 Euro pro Jahr.

Gesundheitsminister Spahn erklärte, dass Angehörigen in Selbsthilfegruppen mehr Austausch ermöglicht werden solle. Viele befänden sich in "emotionalen Stresssituationen". Auch die Zusammenarbeit zwischen Angehörigen, ehrenamtlichen Helfern sowie Pflegediensten und Ärzten solle verbessert werden. "Demenz betrifft jede Arztpraxis", sagte Spahn.

Der Vorstand der Deutschen Stiftung Patientenschutz, Eugen Brysch, kritisierte, dass seit Jahren immer wieder Demenz-Konzepte vorgelegt würden, sich jedoch an den Problemen für die Betroffenen wenig geändert habe. "Bereits die Unterstützung daheim gelingt nicht." Der Grund dafür sei, dass es kein Pflegezeitgeld ähnlich dem Elterngeld gebe, das fehlendes Erwerbseinkommen teilweise ausgleicht, wenn Angehörige ihren dementen Partner betreuen. "Ebenso ist ein Rechtsanspruch auf Kurzzeit-, Verhinderungs- und Tagespflege überfällig", erklärte Brysch

Auch bei der stationären Versorgung spitze sich die Situation immer weiter zu. Deshalb sei für Demenzpatienten in Krankenhäusern eine professionelle Begleitperson erforderlich.

Die Nationale Demenzstrategie wurde gemeinsam mit der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, den Ländern und Kommunen, den Verbänden des Gesundheitswesens und der Pflege, den Sozialversicherungsträgern, der Zivilgesellschaft und der Wissenschaft erarbeitet. In den kommenden Jahren werden insgesamt 160 konkrete Maßnahmen umgesetzt, um Deutschland demenzfreundlicher zu machen. Im Jahr 2026 soll Bilanz gezogen werden.

In Deutschland erkranken immer mehr Menschen an Demenz. Derzeit sind es nach Angaben der Bundesregierung 1,6 Millionen, 2050 könnte die Zahl bei 2,8 Millionen Menschen liegen. Zum Krankheitsbild von Demenzerkranken gehören unter anderem Gedächtnis-, Orientierungs- und Sprachstörungen sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Die Alzheimer-Krankheit ist mit rund 60 Prozent aller Fälle die häufigste Demenzerkrankung. Nur in seltenen Fällen sind die Betroffenen jünger als 60 Jahre.