Seenotretter werfen Italiens Behörden systematische Behinderung vor

Seenotretter werfen Italiens Behörden systematische Behinderung vor
Ein Schiff darf Gerettete nicht an Land bringen, ein anderes nicht wieder auslaufen. Die privaten Seenotretter befinden sich erneut im Konflikt mit den italienischen Behörden. Derweil werden Hunderte Geflüchtete zurück nach Libyen gezwungen.

Frankfurt a.M. (epd). Deutsche Seenotrettungsorganisationen haben den italienischen Behörden eine systematische Behinderung ihrer Arbeit vorgeworfen. "Die Gründe für die Festsetzung der 'Sea-Watch 4' sind komplett absurd", sagte Sea-Watch-Sprecherin Mattea Weihe am Dienstag dem Evangelischen Pressedienst (epd). "Und es sind die gleichen Vorwürfe wie bei den anderen drei festgesetzten Rettungsschiffen." Die italienische Küstenwache hat Sicherheitsmängel als Grund für das Auslaufverbot aus dem Hafen von Palermo für die "Sea-Watch 4" angeführt.

Auch die Organisation Sea-Eye kritisierte die italienischen Behörden. Obwohl deren "Alan Kurdi" vor der Küste Lampedusas liege, sei auch am vierten Tag der Rettung noch immer unklar, wer für die 125 Geflüchteten an Bord und die Koordinierung der Rettung zuständig sei, sagte der Vorsitzende der Organisation, Gorden Isler, dem Evangelischen Pressedienst (epd). Die italienischen Behörden verwiesen auf den deutschen Flaggenstaat, der sehe jedoch die Rettungsleitstellen vor Ort in der Pflicht. "Niemand übernimmt die Verantwortung", kritisierte Isler.

Am Morgen hatte die italienische Küstenwache nach Drängen von Ärzten acht Gerettete von der "Alan Kurdi" evakuiert. Es habe sich um zwei Frauen, einen Mann, vier Kinder und ein fünf Monate altes Baby gehandelt, sagte Isler. Die "Alan Kurdi" hatte am Wochenende insgesamt 133 Menschen aus drei Booten in der libyschen Rettungszone an Bord genommen.

Derweil wurden laut der Internationalen Organisation für Migration (IOM) in der dritten Nacht in Folge Flüchtlinge im Mittelmeer zur Rückkehr nach Libyen gezwungen. 119 Migranten an Bord von zwei Schlauchbooten wurden demnach in der Nacht zum Dienstag vor der libyschen Küste abgefangen. Insgesamt wurden seit dem 15. September 476 Kinder, Frauen und Männer nach Libyen zurückgebracht. Die EU beteiligt sich an der Finanzierung und Ausbildung der libyschen Küstenwache, der immer wieder Menschenrechtsverletzungen vorgeworfen wird.

Als Gründe für die Festsetzung der "Sea-Watch 4" nannte die italienische Küstenwache unter anderem, dass das Schiff nicht als Rettungsschiff registriert sei, dass Rettungswesten nicht zertifiziert und die Notbeleuchtung defekt gewesen seien sowie die Decktoiletten mit Außenabfluss gegen Umweltbestimmungen verstießen. Das überwiegend aus kirchlichen Spenden finanzierte Schiff darf nach der Rettung von 350 Menschen im Mittelmeer nicht wieder auslaufen.

Man merke, bei der Argumentation, dass es nur darum gehe, die Seenotrettung zu behindern, sagte Sea-Watch-Sprecherin Weihe. In Deutschland könne nur die Deutsche Gesellschaft zur Rettung Schiffbrüchiger (DGzRS), die in deutschen Gewässern operiere, Schiffe als Rettungsschiffe registrieren lassen. "Wir haben dazu gar keine Möglichkeit." Deshalb sei die "Sea-Watch 4" als Frachtschiff und für 30 Menschen an Bord registriert und zugelassen. Für diese 30 Besatzungsmitglieder gebe es registrierte Westen und ein Abwassersystem.

Zusätzlich gebe es weitere rund 360 Sicherheitswesten, die in keiner Liste auftauchten, und die Toiletten an Deck für die Geretteten. "Man kommt ja nicht auf die Idee, dass es einem zum Verhängnis wird, wenn man viele Rettungswesten an Bord hat."

Laut dem Bundesverkehrsministerium werden Seenotrettungssituationen gemäß internationaler Übereinkommen nicht berücksichtigt, wenn es um die Erfüllung von Sicherheits-, Umwelt- und Ausrüstungstandards geht. Die Betriebserlaubnis sei davon unabhängig, teilte das Ministerium dem epd auf Anfrage mit. Außer der "Sea-Watch 4" werden derzeit auch die "Sea-Watch 3", die "Ocean Viking" und die "Aita Mari" festgehalten.

epd bg/lbm/nam kfr