Corona: Demenz-Kranke brauchen mehr Unterstützung

Corona: Demenz-Kranke brauchen mehr Unterstützung
Angesichts steigender Infektionszahlen warnen Mediziner vor einem zweiten Corona-Lockdown in Pflegeheimen. Es müsse sichergestellt werden, dass Kranke weiter therapeutisch versorgt und von Angehörigen besucht werden können.

Berlin (epd). Mediziner und Fachverbände haben eine bessere Unterstützung von Demenzerkrankten in Pandemie-Zeiten gefordert. Sollte eine neue Welle kommen, müsse sichergestellt werden, dass Heimbesuche auch in Corona-Zeiten möglich sind, erklärte die Vorsitzende der Deutschen Alzheimer Gesellschaft, Monika Kaus, am Freitag in Berlin zum Welt-Alzheimertag am Montag (21. September). Fundamentale Menschenrechte sollten ohne Prüfung des Einzelfalls nicht mehr eingeschränkt werden.

Aktuell gibt es in Deutschland schätzungsweise etwa 1,6 Millionen Menschen mit Demenzerkrankung, rund 700.000 von ihnen in Pflegeheimen. Wegen der Corona-Pandemie seien bis heute soziale Kontakte in Heimen eingeschränkt, sagte Kaus. Dies betreffe insbesondere Menschen mit einem erhöhten Krankheitsrisiko.

Das Motto des diesjährigen Welt-Alzheimertages lautet "Demenz - Wir müssen reden!". Für Mittwoch (23. September) plant die Bundesregierung den offiziellen Auftakt ihrer Nationalen Demenzstrategie.

Der Alterspsychiater Michael Rapp forderte von Ländern und deren Heimaufsichten überregionale Konzepte und Poollösungen, um künftig ausreichendes Fachpersonal für Pflegeheime sicherzustellen. Zugleich müssten ausreichend Schnelltest-Kapazitäten und Hygieneartikel für Heime vorgehalten werden.

Rapp warnte vor vielen regionalen Lockdowns im Zuge einer zweiten Infektionswelle. Es müsse verhindert werden, Heime zu schließen und alte Menschen "in eine krankmachende Isolation zu bringen". Unter Einhaltung der Hygieneregeln sollten zumindest für engste Familienangehörige Besuchsmöglichkeiten möglich gemacht werden, sagte der Präsident der Deutschen Gesellschaft für Gerontopsychiatrie und -psychotherapie.

Rapp betonte die Notwendigkeit von Physio-, Ergo-, Kunst- und Musiktherapien für die Lebensqualität und Fertigkeiten von Demenzerkrankten. Eine mehrmonatige Unterbrechung derartiger Therapien habe eine negative Wirkung auf diese Menschen.

Zum Krankheitsbild von Demenzerkrankten gehören unter anderem Gedächtnis-, Orientierungs- und Sprachstörungen sowie Veränderungen der Persönlichkeit. Die Alzheimer-Krankheit ist mit rund 60 Prozent aller Fälle die häufigste Demenzerkrankung. Nur in seltenen Fällen sind die Betroffenen jünger als 60 Jahre.

Auch Monika Kaus von der Deutschen Alzheimer Gesellschaft warb dafür, den Zugang zu Demenzerkrankten sicherzustellen: "Wenn Sprache nicht mehr funktioniert, erhält das Halten einer Hand oder eine Umarmung eine ganz andere Bedeutung."

Die Vorsitzende der Hirnliga, der Vereinigung der deutschen Alzheimer-Forscher, Isabella Heuser, beklagte eine massive Beeinträchtigung der Forschung durch die Corona-Pandemie. Klinische Untersuchungen von Studienpatienten mussten unterbrochen, neue Forschungsprojekte konnten nicht begonnen werden. Der Ambulanzbetrieb sei massiv heruntergefahren worden. Heuser fordert für die Alzheimer-Forschung mehr Geld, "um diese Erkrankung in den Griff zu bekommen", so die Direktorin der Klinik und Hochschulambulanz für Psychiatrie und Psychotherapie an der Berliner Charité. Bis 2060 werde sich die Zahl der an Demenz erkrankten Menschen verdoppeln.