Jeder dritte Homosexuelle im Arbeitsleben diskriminiert

Jeder dritte Homosexuelle im Arbeitsleben diskriminiert
Antidiskriminierungsstelle: Viele halten ihre geschlechtliche Identität geheim
Bei der Akzeptanz von homo- und intersexuellen Menschen hat es in den vergangenen 20 Jahren Fortschritte gegeben. Rund ein Drittel von ihnen ist laut einer aktuellen Studie am Arbeitsplatz mit Diskriminierung konfrontiert.

Bielefeld, Essen (epd). Jeder dritte Homosexuelle wird einer aktuellen Studie zufolge in Deutschland im Arbeitsleben diskriminiert. Unter den Trans-Menschen sind es sogar mehr als 40 Prozent, wie eine am Mittwoch veröffentlichte Untersuchung des Deutschen Instituts für Wirtschaftsforschung (DIW) und der Universität Bielefeld ergab. Fast ein Drittel dieser Menschen gingen vor Kollegen immer noch nicht offen mit ihrer Sexualität oder Geschlechtsidentität um, heißt es in der Studie. Die Antidiskriminierungsstelle des Bundes sowie Experten aus Wissenschaft und Politik fordern mehr Anstrengungen gegen Diskriminierungen in der Arbeitswelt.

Untersucht wurde das Arbeitsumfeld von homo- und bisexuellen sowie queeren, trans- und intersexuellen Menschen (LGBTQI). Homosexuelle und Trans-Menschen gehen der Erhebung zufolge zwar in ähnlichem Maße einer Erwerbstätigkeit nach wie die übrige heterosexuelle Bevölkerung, doch sind sie meistens höher qualifiziert und in anderen Branchen tätig.

So liege der Anteil der Fach- oder Hochschulabsolventen in der Personengruppe bei 60 Prozent, in der restlichen Bevölkerung gleichen Alters seien es 42 Prozent. Unterschiede gebe es auch bei der Branchenwahl: So arbeiten Homosexuelle seltener im produzierenden Gewerbe (17,2 Prozent), dafür aber häufiger im Gesundheits- und Sozialwesen (23,7 Prozent) sowie der Kunst und Unterhaltung (7,1 Prozent) als Heterosexuelle, weil sie dort den Angaben zufolge offenbar auf größeres Verständnis der Belegschaft hoffen.

So gehen der Studie zufolge im produzierenden Gewerbe nur 57 Prozent der homo- und bisexuellen sowie queeren, trans- und intergeschlechtlichen Menschen offen mit ihrer sexuellen Orientierung und Geschlechtsidentität um. Im Gesundheits- und Sozialwesen täten das hingegen knapp drei Viertel der Befragten. Insgesamt hätten sich fast 70 Prozent (69 Prozent) der Befragten vor Kollegen, aber nur 60 Prozent vor Vorgesetzten geoutet.

Es sei wichtig, dass sich Unternehmen in Bezug auf die Gleichstellung dieser Personengruppe klar positionierten, erklärte Studienautorin Lisa de Vries von der Universität Bielefeld. Als Beispiele nannte sie Stellenausschreibungen, die Website des Unternehmens, aber auch im Betrieb selbst. Das signalisiere, dass man auch dann auf Verständnis treffe, wenn bei diesem Arbeitgeber Diskriminierungserfahrungen gemacht würden. Wenn betroffene Menschen "bestimmte Branchen und Unternehmen meiden, sie gleichzeitig aber höher gebildet sind, dann sollte allein schon diese Erkenntnis ein Anreiz für Unternehmen sein, ein diskriminierungsarmes Arbeitsumfeld zu schaffen, damit Arbeitsplätze für diese Zielgruppe attraktiver werden", unterstrich de Vries.

"Die Zahlen decken sich mit dem, was wir aus eigenen Erhebungen und auch aus unserer Beratungspraxis wissen", sagte Bernhard Franke, kommissarischer Leiter der Antidiskriminierungsstelle des Bundes, den Funke-Zeitungen, die als erste über die Studie berichtet hatten. Im Arbeitsleben müssten homo- und bisexuelle Menschen häufig neben Mobbing auch sexuelle Belästigung erfahren und hielten deshalb ihre geschlechtliche Identität oder sexuelle Orientierung geheim. "Niemand darf in Deutschland wegen seiner sexuellen oder seiner Geschlechtsidentität benachteiligt werden", unterstrich Franke.

Politik und Wirtschaft dürften nicht länger die Augen vor Diskriminierung und Mobbing am Arbeitsplatz verschließen, erklärte Jens Brandenburg von der FDP-Bundestagsfraktion. Vor allem kleine Unternehmen benötigten mehr Unterstützung, um ein Bewusstsein für Diskriminierungserfahrungen und eine offene Unternehmenskultur zu schaffen. Der Staat müsse mit gutem Beispiel vorangehen. Brandenburg plädierte für einen Nationalen Aktionsplan gegen Homo- und Transphobie mit einer frühen Schulaufklärung, mit dem Vorurteile abgebaut werden sollten.