Verfassungsschutz: Antisemitismus in allen extremistischen Bereichen

Verfassungsschutz: Antisemitismus in allen extremistischen Bereichen
Der Verfassungsschutz hat ein eigenes Lagebild zum Antisemitismus vorgelegt. Judenhass ist demnach in verschiedener Ausprägung in allen Extremismusformen ein Problem. Aktuell am bedeutendsten sei Antisemitismus im Gewand des Hasses auf Israel.

Köln, Berlin (epd). Antisemitismus ist einem aktuellen Bericht des Verfassungsschutzes zufolge in allen Extremismusbereichen verbreitet, vor allem aber im Rechtsextremismus und Islamismus. In diesen beiden Bereichen habe Judenhass eine "konstitutive Bedeutung", heißt es in einem am Montag veröffentlichten "Lagebild Antisemitismus". Eine geringere, aber durchaus auch eine Rolle spielt Antisemitismus demnach auch bei den sogenannten Reichsbürgern und Selbstverwaltern sowie im Ausländerextremismus. Im Linksextremismus habe Judenhass "nur nachrangige Bedeutung", heißt es im abschließenden Kapitel des rund 110-seitigen Berichts des Bundesamtes für Verfassungsschutz.

Dem Verfassungsschutz zufolge begründet sich bei Rechtsextremisten Antisemitismus zumeist rassistisch. Im Islamismus beruhten islamistische Vorurteile gegen Juden auf dem Feindbild des "Judenstaats Israel". Dieser sogenannte antizionistische Antisemitismus stelle aktuell die bedeutendste Form der Judenfeindschaft dar, schreibt der Verfassungsschutz. Diese Form von Feindschaft gegenüber Juden leugnet das Existenzrecht Israels oder denunziert den Staat als illegitim.

Diese Ausprägung der Judenfeindschaft sei wie keine andere Erscheinungsform an aktuelle Debatten einer breiten Öffentlichkeit anschlussfähig, heißt es im Bericht weiter. "Im Kontext regelmäßig wiederkehrender Debatten über die politische Situation in Nahost können antisemitische Aussagen einen weniger anrüchigen und stigmatisierenden Charakter annehmen", heißt es in dem Papier.

Dies liege vor allem "an weitverbreiteten Unsicherheiten darüber, wo legitime Kritik am Handeln der israelischen Regierung aufhört und antisemitisch grundierte Israelfeindschaft beginnt". Diese Unsicherheiten wiederum fänden in antisemitischen Argumentationen Anwendung, "indem etwa behauptet wird, dass Israel zu kritisieren ein Tabu darstelle, das man nur um den Preis brechen könne, danach ungerechtfertigt als Antisemit abgestempelt zu werden", heißt es im Lagebild.

Als antizionistischen Antisemitismus versteht das Lagebild judenfeindliche Äußerungen, bei denen Israel als "jüdisches Kollektivum" verstanden und diffamiert wird, etwa indem israelische Politik mit der des NS-Regimes verglichen wird. Der Bericht verweist dabei auf die Antisemitismusdefinition der Internationalen Allianz zum Holocaustgedenken, die in Deutschland mit einem Zusatz verabschiedet wurde, wonach sich Judenhass nicht nur gegen Personen und Institutionen richten, sondern auch in Angriffen gegen den Staat Israel ausdrücken kann.

Der Antisemitismusbeauftragte der FDP-Fraktion, Benjamin Strasser, bezeichnete das Lagebild als "Weckruf". "Die hässliche Fratze antisemitischer Denkmuster ist noch immer in den Köpfen zu vieler Menschen verbreitet", erklärte er. Gleichzeitig forderte er Beratungs- und Meldestellen für antisemitische Vorfälle in allen Bundesländern, damit sich Betroffene melden und Vorfälle konsequent verfolgt werden können.

Die Zahl antisemitischer Straftaten war in den vergangenen Jahren kontinuierlich gestiegen. Die Statistik politisch motivierter Kriminalität des Bundeskriminalamtes verzeichnete für 2019 insgesamt 2.032 judenfeindliche Straftaten. 93 Prozent der Straftaten wurden dem rechtsextremen Spektrum zugeordnet. Die Registrierweise stößt aber seit längerem auch auf Kritik. Vermutet wird, dass Fälle auch fälschlicherweise dem rechtsextremen Spektrum zugerechnet werden.

epd co/hei mih