Plädoyers der Nebenkläger im Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann

Plädoyers der Nebenkläger im Prozess gegen ehemaligen SS-Wachmann

Hamburg (epd). Im Prozess gegen den ehemaligen SS-Wachmann Bruno D. haben Nebenklägervertreter am Dienstag ein Schuldeingeständnis gefordert. Noch sei es möglich, dass sich D. seiner moralischen Schuld stelle, sagte Rechtsanwalt Markus Horstmann in seinem Plädoyer vor dem Hamburger Landgericht. Schließlich werde er am kommenden Montag das letzte Wort haben. "Da haben Sie die Chance, etwas zu sagen, was Sie bisher im Prozess nicht gesagt haben." Insgesamt fünf Nebenklägervertreter hielten am Dienstag ihre Plädoyers.

D. wird Beihilfe zum Mord in 5.230 Fällen vorgeworfen. Er war von August 1944 bis April 1945 als SS-Wachmann im KZ Stutthof (bei Danzig) tätig. D. bestritt stets seine Schuld und sagte, er habe nie geschossen. Vieles habe er nicht mitbekommen. Weil der Angeklagte den Dienst als 17-Jähriger antrat, wird der Fall vor der Jugendstrafkammer verhandelt. Die Staatsanwaltschaft fordert drei Jahre Haft und die Übernahme der Prozesskosten.

Nach den Plädoyers weiterer Nebenklägervertreter am Freitag soll der Angeklagte am Montag (20. Juli) das letzte Wort haben. Das Urteil wird vermutlich am 23. Juli nach 44 Verhandlungstagen gesprochen.

Es gehe nicht darum, mit dem Finger auf D. zu zeigen, sagte Nebenkläger-Anwalt Horstmann. Keiner der anwesenden - allesamt jüngeren - Menschen könne sich anmaßen zu sagen, dass er als 17-Jähriger anders gehandelt hätte als D.. Anwältin Christine Siegrot sprach in ihrem Plädoyer sogar von Anerkennung dafür, dass D. sich diesem Prozess gestellt habe. "Sie hätten auch den alten, dementen Mann spielen können." Ihr Mandant habe Angst vor "einer Mauer des Schweigens gehabt". Der Inhalt von D.s Aussagen stehe jedoch auf einem anderen Blatt.

Am Wochenende, so berichtete Anwältin Siegrot, habe ihr Mandant sie gebeten, dem Angeklagten zu sagen, er habe während seiner Zeit in Stutthof nicht einen einzigen Wachmann getroffen, der freundlich oder mitfühlend war. "Jeden Tag hat er Angst um sein Leben gehabt und fühlte sich dabei von den Entscheidungen der Wachmänner abhängig." Zum ersten Mal senkte D. bei diesen Sätzen die Augen, nachdem er der Anwältin zuvor mit festem Blick zugehört hatte.

Von "unwiderlegbarer Schuld", derer sich D. allerdings bis heute nicht bewusst sei, sprach Rechtsanwalt Salvatore Barba. Er sei "das letzte Glied in der Kette der Massenvernichtungs-Maschinerie" gewesen. Man könne ihm wohl nicht vorwerfen, keinen Widerstand geleistet zu haben. "Widerstand hatte eine andere Dimension in Nazi-Deutschland." Aber er hätte sich versetzen lassen können, um den Dienst als Wachmann nicht weiter ausüben zu müssen. Stattdessen stelle er sich als "hilfslosen Befehlsempfänger" dar. Aber ohne Menschen wie ihn hätte es Stutthof vielleicht nie gegeben.