Vorsorgevollmacht hat nicht immer Vorrang vor Berufsbetreuer

Vorsorgevollmacht hat nicht immer Vorrang vor Berufsbetreuer

Karlsruhe (epd). Eine Vorsorgevollmacht zugunsten eines Angehörigen schließt die spätere Bestellung eines Berufsbetreuers nicht aus. Denn kommt der Bevollmächtigte seinen Pflichten in keinster Weise nach, kann ein zu bestellender Berufsbetreuer die Vollmacht widerrufen, entschied der Bundesgerichtshof (BGH) in Karlsruhe in einem am Freitag veröffentlichten Beschluss (Az.: XII ZB 61/20). Voraussetzung hierfür sei aber, dass der Betreuer vom Betreuungsgericht ausdrücklich zum Widerruf der Vorsorgevollmacht ermächtigt wird.

Im Streitfall hatte eine 96-jährige, im Pflegeheim lebende demenzkranke Frau ihrem Sohn ursprünglich eine Vorsorgevollmacht erteilt. So sollte die Bestellung eines Betreuers vermieden werden. Der Sohn sollte sich um sämtliche rechtliche Angelegenheiten seiner Mutter kümmern, falls diese wegen ihrer fortschreitenden Krankheit dazu nicht mehr in der Lage ist. Doch der bevollmächtigte Sohn kam seinen Verpflichtungen nicht nach.

Das bayerische Landgericht Amberg bestellte daraufhin einen Berufsbetreuer und billigte diesem ausdrücklich das Recht zu, die vorliegende Vorsorgevollmacht zu widerrufen.

Dieses Vorgehen billigte der BGH. Sei eine Betreuung für "alle Angelegenheiten" vorgesehen, müsse die Betroffene aufgrund ihrer Erkrankung oder Behinderung auch keine ihrer Angelegenheiten selbst besorgen können. Das sei hier der Fall. Die demenzkranke 96-Jährige könne sich weder an ihr Geburtsdatum erinnern, noch erkenne sie ihren Sohn.

Grundsätzlich habe zwar in solch einem Fall eine per Vorsorgevollmacht bevollmächtigte Person Vorrang vor der Bestellung eines Berufsbetreuers. Der an einer Persönlichkeitsstörung leidende Sohn sei aber auf Dauer als Bevollmächtigter ungeeignet, befand der BGH. Er habe seine Vollmacht nicht zum Wohl seiner Mutter ausgeübt, hieß es zur Begründung.

So war die Mutter noch vor der Heimunterbringung unterkühlt, dehydriert, eingenässt und fast nackt aufgefunden worden. Um Behördenangelegenheiten und Post habe er sich ebenfalls nicht gekümmert. In solch einem Fall dürfe der bestellte Betreuer zum Widerruf der Vorsorgevollmacht ermächtigt werden. Das Betreuungsgericht müsse diesen Schritt aber ausdrücklich erlauben.